OLG Stuttgart: Beweis mit Dashcam-Aufnahme im Zivilprozess zulässig

Verkehrsunfall, Datenschutzrecht und Beweis per Dashcam im Zivilprozess – das Oberlandesgericht Stuttgart vertrat in einem Verhandlungstermin vom 17.07.2017 die Rechtsauffassung, dass Dashcam-Aufnahmen in einem Zivilverfahren, in dem um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall gestritten wird, als Beweis dienen können. Das unter dem Aktenzeichen 10 U 41/17 geführte Verfahren endete nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ohne Urteil – die Parteien einigten sich auf einen Vergleich.

Dashcam im Zivilprozess – worum ging es?

Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich im Jahr 2016 in einer Ortsdurchfahrt ereignet hatte. Beklagt waren die Fahrerin, der Halter und die Haftpflichtversicherung des gegnerischen Fahrzeugs, das an dem Unfall beteiligt war. Das Landgericht Rottweil wies die Klage in erster Instanz durch Urteil vom 30.01.2017, Az. 1 O 104/16, ab. Unter anderem machte das Landgericht geltend, der gerichtliche Sachverständige habe die Einfahr- und Kollisionsgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge nicht ohne Rückgriff auf die Dashcam-Aufnahmen feststellen können. Diese Dashcam-Aufnahmen hatte der Kläger aus seinem Fahrzeug heraus aufgenommen. Anlasslose Dashcam-Aufzeichnungen, so das Landgericht Rottweil, seien aber wegen eines Verstoßes gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der anderen Verkehrsbeteiligten nicht als Beweismittel im Zivilprozess zuzulassen. Die Dashcam auf dem Armaturenbrett des klägerischen Fahrzeugs zeichne im Dauerbetrieb auf. Die Speicherkarte werde im Umlauf wieder neu beschrieben. Ältere Aufnahmen würden dabei gelöscht. Diese älteren Aufnahmen könnten jedoch heruntergeladen werden und seien dann z.B. in einem Cloud-Dienst gespeichert.

Wie entschied das Oberlandesgericht Stuttgart?

Das Oberlandesgericht Stuttgart sah offenbar kein Beweisverwertungsverbot im Zivilverfahren.

Bereits mit Urteil vom 04.05.2016, Az. 4 Ss 543/15, hatte das Oberlandesgericht Stuttgart für ein Ordnungswidrigkeitenverfahren entschieden, dass Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel verwertet werden können, wenn dies erforderlich ist, um eine die Verkehrssicherheit in besonderer Weise beeinträchtigende Ordnungswidrigkeit zu verfolgen.

Welche Auswirkung hat die Rechtsauffassung auf die Praxis?

Die Frage, ob Dashcam-Aufnahmen insbesondere im Zivilprozess als Beweismittel verwertbar sind oder ob ihnen ein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot entgegensteht, wird von den Instanzgerichten bislang völlig uneinheitlich beurteilt.

Gegen die Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahme entschieden das das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 12.08.2014, Az. AN 4 K 13.01634, ebenso das Amtsgericht München mit Hinweisbeschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14 und das Landgericht Heilbronn mit Urteil vom 17.02.2015, Az. I 3 S 19/14.

Für eine grundsätzliche Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahme als Beweismittel entschieden bereits das Amtsgericht Nienburg mit Urteil vom 20.01.2015, Az. 4 Ds 155/14, das Amtsgericht Nürnberg mit Urteil vom 08.05.2015, Az. 18 C 8938/14, das Landgericht Landshut mit Beschluss vom 01.12.2015, Az. 12 S 2603/15 und im Ergebnis auch das Landgericht Memmingen mit Urteil vom 14.01.2016, Az. 22 O 1983/13.

Nun also das zweite Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart – und das erste Verfahren vor einem Oberlandesgericht, in dem die Dashcam-Aufnahme im Zivilprozess als Beweismittel zugelassen wurde.

 

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