Dashcam-Aufnahme als Beweismittel im Zivilprozess – das Landgericht (LG) Landshut erteilte mit Beschluss vom 01.12.2015, Az. 12 S 2603/15, folgenden Hinweis: Hinsichtlich der mit einer Dashcam angefertigten Videoaufnahme eines Verkehrsunfalles besteht kein Beweisverwertungsverbot.
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Dashcam-Aufnahme im Gerichtsverfahren – worum geht es?
Die Parteien streiten um die Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall. In einem der beiden Fahrzeuge, wohl in dem des Klägers, befand sich eine Dashcam, mit der der Zusammenstoß gefilmt wurde. Die Parteien sind uneins, ob diese Videoaufzeichnung als Beweismittel verwertet werden kann oder ob ein Beweisverwertungsverbot entgegen steht.
Wie entschied das LG Landshut zur Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahme?
Es sei zu unterscheiden zwischen dem Verbot der Beweismittelbeschaffung – hier in Form eines etwaigen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz – und dem Verbot der Verwendung im Prozess.
Das Kunsturheberrechtsgesetz (KUrhG) – Recht am eigenen Bild – sei hier nicht einschlägig. § 22 KUrhG verbiete lediglich da Verbreiten und Zurschaustellen von Aufnahmen, nicht aber das Fotografieren selbst.
Was das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) angehe, so sei zweifelhaft, ob die Bestimmung des § 6b BDSG überhaupt einschlägig sei. Insbesondere § 6b Abs. 2 BDSG spreche dafür, dass der Gesetzgeber fest installierte Kameras vor Augen gehabt habe, die den Verkehr auf einer bestimmten Straße oder auf einem bestimmten Platz überwachen. Das Verwaltungsgericht Ansbach habe den Sachverhalt zwar anders beurteilt. Hier dürfe aber nicht übersehen werden, dass in dem dortigen Verfahren der Kläger systematisch den Verkehrsraum beobachtet habe, um dann in erster Linie Ordnungswidrigkeitenanzeigen zu erstatten.
Ein Verstoß gegen das BDSG bedeute nicht automatisch, dass das so erlangte Video im Prozess nicht verwendet werden dürfe.
In Betracht komme ein Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Es habe eine Güterabwägung zwischen den Interessen der Beteiligten stattzufinden.
Die Grundrechtseingriffe seien hier geringfügig. Die laufenden Filmaufnahmen vom Auto aus erfolgten wahllos und ohne bestimmte Absicht. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Verkehrsprofilen finde nicht statt.
Relevanz komme der Erfassung des Verkehrsgeschehens erst in dem Moment zu, in dem es zu einem Unfall komme. Es sei aber üblich und zulässig, nach einem Unfall zu filmen.
Dashcam-Aufnahme im Gerichtsverfahren – welche Auswirkung hat die Entscheidung aus Landshut auf die Praxis?
Die Frage, ob eine Dashcam-Aufnahme in einem Verkehrsunfall-Prozess als Beweismittel verwendet werden darf, um feststellen zu können, wer den Unfall verursachte und unter welchen Umständen dies geschah, wurde in der jüngeren Zeit mehrfach von verschiedenen Gerichten thematisiert – und völlig uneinheitlich beantwortet:
_ Rechtsprechung: Dashcam-Aufnahme ist verwertbar
- Amtsgericht München, Urteil vom 06.06.2013, Az. 343 C 4445/13
- Amtsgericht Nienburg, Urteil vom 20.01.2015, Az. 4 Ds 155/14
- Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 08.08.2015, Az. 18 C 8938/14
_ Rechtsprechung: Dashcam-Aufnahme unterliegt Beweisverwertungsverbot
- Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 12.08.2014, Az. AN 4 K 13.01634
- Amtsgericht München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14
- Landgericht Heilbronn, Urteil vom 17.02.2015, Az. I 3 S 19/14
Der 54. Deutsche Verkehrsgerichtstag, der vom 27. bis 29.01.2016 in Goslar stattfand, sprach sich in seinen Empfehlungen für eine gesetzliche Regelung aus. Anstelle eines generellen Verbotes oder einer generellen Zulassung sei ein sachgerechter Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht durch den Gesetzgeber geboten. Die Verwertung rechtswidriger Dashcam-Aufnahmen im Gerichtsverfahren richte sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Verkehrsverstößen ohne schwerwiegende Gefährdung oder Folgen solle weiterhin nicht auf die Aufzeichnung von Dashcams gestützt werden können.
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Dashcam-Aufnahme im Prozess als Beweismittel verwendet werden kann, ist also weiterhin nicht endgültig geklärt. Für den Rechtsanwalt gilt zunächst wohl: Es kommt darauf an, welcher Rechtsstandpunkt der eigenen Partei nützlich ist. Dann heißt es, aus der einen oder aus der anderen Gruppe von Entscheidungen Honig zu saugen in der Hoffnung, dass sich das Gericht der vorgetragenen Rechtsauffassung anschließt. Anwaltliches Handwerk also am Berührungspunkt von Datenschutzrecht und Prozessrecht.
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