Urteil: Schadensersatz auch für eBay-Abbruchjäger

Unberechtigt abgebrochene eBay-Auktion und Schadensersatz wegen Nichterfüllung – das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied mit Urteil vom 30.10.2014, Az. 28 U 199/13: Bricht ein Verkäufer seine eBay-Auktion grundlos ab, schuldet er demjenigen Schadensersatz, der mit seinem Höchstgebot nicht zum Zuge kommt. Das kann auch dann gelten, wenn sich der Höchstbietende als so genannter „Abbruchjäger“ an der eBay-Auktion beteiligt haben sollte.

Schadensersatz für eBay-Abbruchjäger – was war geschehen?

Die Beklagte bot auf eBay einen gebrauchten Gabelstapler mit einem Startpreis von 1 € zum Verkauf ein. Der im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt ansässige Kläger beteiligte sich mit einem Maximalbetrag von 345 € beteiligte sich an der Auktion. Noch vor dem Ende der eBay-Auktion verkaufte die Beklagte den Gabelstapler anderweitig für 5.355 €. Die Beklagte brach deshalb die Auktion ab. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Betrag von 301 Euro Höchstbietender. Der Kläger machte daraufhin Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages geltend.

Wie entschied das OLG Hamm zu eBay-Kaufvertrag und Schadensersatz?

Das OLG Hamm sprach dem Kläger 5.054 € zu.

Die Beklagte habe ein verbindliches Verkaufsangebot abgegeben, indem sie den Gabelstapler auf der Webseite von eBay zur Versteigerung inserierte und die Internetauktion startete. Ihr Vertragspartner sei der Kläger geworden, weil er innerhalb der Laufzeit der Option das höchste Angebot abgegeben habe.

Am Rechtsbindungswillen des Klägers sei nicht zu zweifeln. Der Kläger habe plausibel dargelegt, dass er den Gabelstapler zum Preis von bis zu 345 € abgenommen hätte. Es sei nicht anzunehmen, dass er sein Kaufangebot nur zum Schein oder zum Scherz abgegeben habe. Jeder Teilnehmer einer eBay-Auktion werde vor der Abgabe eines Gebots darauf hingewiesen, dass dieses Gebot verbindlich sei und zum Abschluss eines Kaufvertrages führen könne. Selbst wenn man dem Kläger unterstellen wolle, dass er sich als so genannter „Abbuchjäger“ systematisch an eBay-Auktionen beteilige, um gegebenenfalls Schadensersatzansprüche zu realisieren, setze auch ein solches Vorhaben gerade voraus, dass das jeweilige Höchstgebot bindend abgegeben werden solle.

Entscheidend sei daher, ob die Beklagte die von ihr begonnene eBay-Auktion vorzeitig habe beenden dürfen. Die Beklagte, die ihr Verkaufsangebot im Rahmen der eBay-Auktion nicht als unverbindlich gekennzeichnet habe, habe nach den eBay-internen Bestimmungen allerdings kein Recht zum Widerruf ihres Angebots gehabt. Nach diesen Bestimmungen berechtige allein der Wunsch eines Verkäufers, den angebotenen Gegenstand während der laufenden Auktion losgelöst von eBay anderweitig zu veräußern, nicht zur Rücknahme des eBay-Angebots, wenn für dieses bereits Gebote abgegeben seien. Die Gebote dürften nur aus berechtigten, in den eBay-Bestimmungen geregelten Gründen gestrichen werden. Derartige Gründe habe die Beklagte im zu entscheidenden Fall nicht gehabt.

Der zwischen den Parteien verbindlich abgeschlossene Kaufvertrag sei auch kein nichtiges Wuchergeschäft. Der Kläger habe keine Schwächesituation der Beklagten ausgenutzt. Vielmehr sei es die Beklagte gewesen, die den Gabelstapler zum Mindestverkaufspreis von nur 1 Euro bei eBay angeboten habe.

Die Beklagte schulde Schadensersatz in Höhe des Wertes des Gabelstaplers. Der Wert des Gabelstaplers könne nach dem von der Beklagten anderweitig erzielten Kaufpreis bemessen werden. Hiervon sei bei der Schadensberechnung der vom Kläger zu zahlende Betrag von 301 Euro abzuziehen.

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

Zunächst: Wenige Tage nach dem OLG Hamm setzte sich auch der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14, mit der Frage auseinander, ob ein Mindestverkaufspreis von nur 1 € zu einem sittenwidrigen Wuchergeschäft führen kann, wenn der Artikel tatsächlich mehrere tausend Euro wert ist – und kam zum selben Ergebnis: Mit der gleichen Begründung wie das OLG Hamm verneinte der BGH Wucher und Sittenwidrigkeit.

Vor allem, und das dürfte entscheidend sein, erteilt das OLG Hamm der gezielten „Abbruchjägerei“ keine grundsätzliche Absage. Abbruchjägerei – was ist das? Ein Abbruchjäger beteiligt sich mehr oder weniger gezielt an Auktionen über wertvolle Gegenstände mit geringen Geboten. Der Abbruchjäger spekuliert darauf, nach einem unrechtmäßigen Abbruch der Auktion Höchstbietender zu sein. Der Abbruchjäger spekuliert also darauf, den Artikel für wenig Geld weit unter Wert zu erhalten (und dann vielleicht selbst gewinnbringend weiterverkaufen zu können) oder eben den Differenzbetrag zwischen eigenem Höchstgebot und Marktwert als Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern zu können.

Wer sich als eBay-Verkäufer gegen einen solchen Abbruchjäger wehren will, muss nach dem Urteil des OLG Hamm darlegen können, dass der Käufer sein Gebot nur zum Schein und ohne Rechtsbindungswillen abgab. Dass sich dies regelmäßig nicht schematisch feststellen lässt, sondern nur anhand der genauen Umstände des jeweiligen Einzelfalls möglich ist, liegt auf der Hand. Es reicht also nicht aus, wenn auf der anderen Seite ein Abbruchjäger zugange ist – der Abbruchjäger muss überdies alleine zum Schein eigene Gebote abgegeben haben.