Urteil: Salafist aus Bundeswehr entlassen

Religiöser Fundamentalismus und Dienst in der Bundeswehr – das Verwaltungsgericht Aachen entschied mit Urteil vom 26.02.2015, Az. 1 K 1395/14: Ein Soldat auf Zeit muss jederzeit die Gewähr dafür bieten, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Dies ist bei einem fundamentalistischen Muslim auch dann nicht der Fall, wenn die tatsächliche Dienstausübung keinen Anlass zu Kritik oder gar disziplinarischen Maßnahmen gab.

Entlassung aus der Bundeswehr – was war geschehen?

Der Kläger war Soldat auf Zeit. Er sollte nach einer Dienstzeit von 4 Jahren am 31.03.2014 aus der Bundeswehr ausscheiden.

Im September 2012 erhielt der Militärische Abschirmdienst (MAD) die Mitteilung, der Soldat bestehe auf der Möglichkeit, fünfmal täglich auch während des Wachtdienstes ein Gebet durchzuführen, der Soldat halte auch unter militärisch fordernden Bedingungen den Ramadan ein, der Soldat meide strikt Alkohol und Schweinefleisch und er trage einen Bart. Der Soldat solle auch geäußert haben, wenn man ihn riefe, würde er in den Dschihad ziehen. Daraufhin wurde der Soldat mehrfach durch den MAD befragt. Hierbei äußerte der Soldat unter anderem, er halte die Verschleierung von Frauen für sinnvoll. Weiter äußerte der Soldat, wenn er die Macht hätte, würde er die Scharia dem Grundgesetz vorziehen und diese deutschlandweit zur Regelung des öffentlichen Lebens einführen. Eine Auswertung der Facebook-Seiten des Soldaten durch den MAD ergab, dass er mit Nutzern eines Netzwerkes mit dschihadistischen Videos befreundet war. Über eine Facebook-Gruppe verkaufte der Soldat außerdem islamische Bekleidung, unter anderem Kleidung zur Vollverschleierung von Frauen. Der Soldat bezeichnete Saudi-Arabien in religiöser Hinsicht als vorbildliche Gesellschaft. Der Soldat äußerte allerdings auch, Gewalt sei für ihn kein Weg. Er habe keine Ambitionen, am Dschihad teilzunehmen.

Der MAD stufte den Soldaten deswegen als gefestigten Salafisten und Extremisten ein.

Obwohl seine Dienstzeit zum 31.03.2014 hätte enden sollen, wurde der Soldat mit Entlassungsbescheid vom 28.01.2014 mit Ablauf des 28.02.2014 aus dem Dienstverhältnis eines Zeitsoldaten entlassen.

Gegen diesen Entlassungsbescheid erhob der Soldat zunächst erfolglos Beschwerde und dann am 28.07.2014 Klage zum Verwaltungsgericht Aachen.

Wie entschied das Verwaltungsgericht Aachen über die Entlassung eines Salafisten?

Das Verwaltungsgericht Aachen wies die Klage zurück und bestätigte damit den Entlassungsbescheid vom 28.01.2014.

Die Klage des Soldaten sei zwar zulässig, aber nicht begründet.

Klage zulässig – Rechtsschutzbedürfnis trotz Klage nach Dienstzeitende

Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass die reguläre Dienstzeit des Klägers zum 31.03.2014 ihr Ende gefunden habe. Der Entlassungsverfügung komme unter anderem mit Blick auf den Wehrsold für den Monat März 2014 und mögliche Berufsförderungsmaßnahmen rechtlich nachteilige Wirkungen zu. Zu diesen rechtlich nachteiligen Wirkungen wäre es nicht gekommen, wäre der Soldat regulär nach Ablauf seiner vierjährigen Dienstzeit ausgeschieden.

Klage unbegründet – Entlassungsverfügung rechtmäßig

Die Klage sei jedoch nicht begründet, da die Entlassungsverfügung rechtmäßig sei.

Fehlende Eignung als Entlassungsgrund

Rechtsgrundlage für die Entlassung sei § 55 Abs. 4 S. 1 Soldatengesetz (SG). Grund für die Entlassung des Klägers sei die zukünftige mangelnde Eignung zum Soldaten auf Zeit. Zutreffend sei der Entlassungsbescheid mit Zweifeln an der Bereitschaft des Soldaten begründet worden, die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes dienstliches und außerdienstliches Verhalten hierfür einzustehen. Nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 SG und § 8 SG müsse ein Zeitsoldat jederzeit die Gewähr dafür bieten, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die politische Treuepflicht des § 8 SG verlange von dem Soldaten die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem er diene, zu identifizieren. Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlange ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten, wie auch dem Richter und Beamten, auferlegt sei.

Verstoß gegen politische Treuepflicht

Die politische Treuepflicht nach § 8 SG verlange von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er diene, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Die politische Treuepflicht gehöre daher zu den elementarsten soldatischen Pflichten. Die Verletzung der Treuepflicht gehöre zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten.

Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht liege dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetze, die geeignet sein, die freiheitlich-demokratische Grundordnung auszuhöhlen. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht liege auch dann vor, wenn der Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziere, die die Bundesrepublik Deutschland und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten. Eine Überzeugung zu haben, und mitzuteilen, diese Überzeugung zu haben, sei alleine noch keine Verletzung der Treuepflicht. Die Grenze sei jedoch überschritten, wenn der Soldat aus seiner Auffassung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art und Weise der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit anderen Soldaten oder für Aktivitäten im Sinne seiner Überzeugung ziehe.

Salafismus und freiheitlich-demokratische Grundordnung unvereinbar

Die Grundannahmen und Ziele des Salafismus, wie sie im Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Inneren für das Jahr 2013 beschrieben seien, seien mit der durch das Grundgesetz statuierten freiheitlich-demokratischen Grundordnung schlechthin unvereinbar. Die angestrebte theokratische Ordnung schließe die nach dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes in Art. 20 Abs. 2 GG festgelegte, vom Volk ausgehende, Staatsgewalt aus. Sie widerspreche durch die Verabsolutierung von Gott gegebenen Rechts der in der pluralistischen Demokratie westlicher Prägung vorgesehenen Rechtsetzung in einem politischen Prozess nach bestimmten demokratischen Verfahrensregeln.

Dienstvergehen keine Voraussetzung

Es spiele keine Rolle, dass die tatsächliche Dienstausübung des Klägers keinen Anlass zu Kritik oder gar disziplinarischen Maßnahmen gegeben habe. Eignungsmängel im Sinne des § 55 Abs. 4 Satz 1 SG bräuchten sich nicht in einem Dienstvergehen niederzuschlagen. Eignungsmängel könnten auch auf andere Weise sichtbar werden.

Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt glaubhaft von einem fundamentalistischen Verständnis des Islam distanziert.

Welche Auswirkung hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen auf die Praxis?

Das Urteil zeigt: Für die geforderte Treuepflicht zur verfassungsmäßigen Ordnung reicht es nicht aus, wenn ein Soldat, Richter oder Beamter diese Ordnung passiv erduldet und hinnimmt, ohne sie aktiv zu bekämpfen. Die Treuepflicht zur verfassungsmäßigen Ordnung ist vielmehr eine Bringschuld des Soldaten, Richter oder Beamten, die eigene Aktivität verlangt.

Es gab in Deutschland schon einmal eine Demokratie, die unter anderem daran zerbrach, dass sich ihr Militär und ihre Beamtenschaft mit ihr nicht identifizierten, sondern die Republik allenfalls passiv duldeten. Am Ende stand ein Herr mit Schnauzbart aus Braunau am Inn an der Spitze des Staates. Der Rest ist bekannt. Das Urteil ist angemessen – denjenigen Zeitgenossen, die von fundamentalistischen Paradiesen träumen, gibt diese Verfassung noch immer genügend freie Entfaltungsmöglichkeiten. Zum Beispiel im freien Unternehmertum auf dem freien Markt als Verkäufer von Vollverschleierung. Bei vollem wirtschaftlichem Risiko allerdings.