GEMA gegen YouTube – LG Hamburg zu den urheberrechtlichen Pflichten des Videoportalbetreibers

Das Landgericht Hamburg entschied mit Urteil vom 20.04.2012, Az. 310 O 461/10: Der Betreiber eines Videoportals wie „YouTube“ haftet für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos nur dann, wenn er in Kenntnis der Rechtsverletzung gegen bestimmte Verhaltens- und Kontrollpflichten verstößt. Erst nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung trifft den Portalbetreiber die Pflicht, das betroffene Video unverzüglich zu sperren und im zumutbaren Rahmen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um erneuten Rechtsverletzungen vorzubeugen. Eine Verpflichtung zur Kontrolle sämtlicher auf die Plattform bereits hochgeladenen Videoclips besteht dagegen nicht.

Was war geschehen?

Die GEMA wollte mit ihrer Klage erreichen, dass der beklagten Betreiberin des Internet-Videoportals „YouTube“ verboten wird, weiterhin zwölf Musikwerke, an denen die GEMA die Rechte wahrnimmt, auf „YouTube“ in Deutschland zugänglich zu machen. YouTube hatte eine Unterlassungsverpflichtung abgelehnt mit der Begründung, für etwaige Urheberrechtsverletzungen nicht zu haften.

Wie entschied das Gericht?

Die zuständige Urheberrechtskammer des LG Hamburg verurteilte die Beklagte hinsichtlich sieben der zwölf streitbefangenen Musikwerke zur Unterlassung. Im übrigen wies die Kammer die Klage ab. Entgegen der Argumentation der GEMA scheide eine sogenannte „Täterhaftung“ von YouTube hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen aus. Lediglich sei YouTube unter dem Gesichtspunkt der sogenannten „Störerhaftung“ zur Unterlassung verpflichtet. Da YouTube die urheberrechtsverletzenden Videos weder selbst hochgeladen habe, noch sich deren Inhalte zu eigen gemacht habe, hafte sie nicht als Täterin. Allerdings habe sie durch das Bereitstellen und den Betrieb der Videoplattform einen Beitrag zu den Rechtsverletzungen geleistet. Aufgrund dieses Beitrags träfen YouTube-Betreibe Verhaltens- und Kontrollpflichten.

YouTube habe im Umfang der Verurteilung gegen die Pflicht verstoßen, die betroffenen Videoclips unverzüglich zu sperren, nachdem sie von der Klägerin über die Urheberrechtsverletzungen informiert worden war. Eine Sperre sei erst gut eineinhalb Monate nach der Benachrichtigung durch die Klägerin erfolgt. Bei einem solchen Zeitraum könne von einem unverzüglichen Handeln nicht mehr gesprochen werden.

Zu der Frage, welche weiteren Prüfungs- und Kontrollpflichten YouTube treffen, hat das Gericht auf die Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hingewiesen, bei der die betroffenen Interessen und rechtlichen Wertungen gegeneinander abzuwägen seien. YouTube dürften danach keine Anforderungen auferlegt werden, die ihre grundsätzlich zulässige Tätigkeit unverhältnismäßig erschwerten. Zuzumuten sei YouTube jedoch, nach Erhalt eines Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung durch den Einsatz einer Software künftige Uploads zu verhindern, die eine mit der gemeldeten Musikaufnahme übereinstimmende Aufnahme enthielten. Eine dazu geeignete Software stehe der YouTube in Form des von ihr entwickelten Content-ID-Programms zur Verfügung. YouTube müsse besagtes Programm aber selbst anwenden. Die Anwendung des Content-ID-Programms könne nicht den Rechteinhabern überlassen bleiben. YouTube sei aber nicht verpflichtet, den gesamten Datenbestand mittels des Content-ID-Programms auf Urheberrechtsverletzungen zu durchsuchen. Die Prüfungs- und Kontrollpflichten einer als Störer in Anspruch genommenen Person begönnen immer erst ab Kenntnis von einer konkreten Rechtsverletzung. Eine Verpflichtung zur Vorsorge gelte daher nur für die Zukunft.

Um die Anzahl der von der Software der Beklagten nicht erfassten Rechtsverletzungen zu reduzieren, sei YouTube außerdem verpflichtet, einen Wortfilter zu installieren. Der Wortfilter solle neu eingestellte Videos herausfiltern, deren Titel sowohl den Titel als auch den Interpreten der in einem Video beanstandeten Musikaufnahme enthält.

Welche Auswirkungen hat das Urteil für die Praxis?

Videos mit GEMA-Musik müssen ohne die erforderliche Lizenz weiterhin offline bleiben. Das Urteil des LG Hamburg führt die ständige ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung zur urheberrechtlichen „Störerhaftung“, also der rechtlichen Verantwortlichkeit für Urheberrechtsverletzungen, die dritte Personen als Täter begangen haben, fort. Die Unterlassungsansprüche unmittelbar gegen den Täter bestehen unabhängig neben den Ansprüchen aus Störerhaftung.