Filesharing-Urteil aus Passau: Jugendlicher haftet nicht

Filesharing-Urteil aus Passau zur Haftung eines Jugendlichen als Täter – das Amtsgericht Passau entschied mit Urteil vom 27.10.2014, Az. 24 C 516/14: Ein 14-jähriges Kind, dem über eine Facebook-Seite ein Computerspiel zum scheinbar kostenlosen Download angeboten wird, das dann aber tatsächlich unbeabsichtigt an einer Filesharing-Tauschbörse teilnimmt, haftet nicht als urheberrechtlicher Täter.

Was war geschehen?

In dem von Rechtsanwalt Stefan Loebisch auf Seiten des beklagten Jugendlichen geführten Gerichtsverfahren verlangte die Klägerin, die Astragon Software GmbH, von dem Jugendlichen und daneben von dessen ebenfalls beklagten Vater als Anschlussinhaber Ersatz der Abmahnkosten und Lizenz-Schadensersatz. Dem Jugendlichen wurde vorgeworfen, über den Internet-Anschluss seines Vaters über eine Filesharing-Tauschbörse zwei Versionen des Spiels „Landwirtschaftssimulator“ heruntergeladen und auch wieder öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Dem Vater wurde vorgeworfen, gegen seine Aufsichtspflicht verstoßen und seinen Sohn nicht ausreichend belehrt zu haben.

Beide Beklagte hatten zuvor jeweils eine Unterlassungserklärung abgegeben, ohne jedoch eine Verpflichtung anzuerkennen, an Astragon auch die Abmahnkosten oder Lizenz-Schadensersatz zu zahlen.

In der Beweisaufnahme bestätigte sich zunächst, dass beide Eltern ihren Sohn mehrmals und ausführlich belehrt hatten, keine illegalen Downloads vorzunehmen. Weiter bestätigte sich, dass der Jugendliche über eine unverdächtig gestaltete Facebook-Seite den verlinkten Hinweis erhalten hatte, das Computerspiel „Landwirtschaftssimulator“ stehe kostenlos zum Download zur Verfügung. Schließlich bestätigte sich, dass beide Eltern Filesharing-Tauschbörsen und vor allem deren Funktionsweise bis zur Abmahnung überhaupt nicht richtig kannten.

Wie entschied das Amtsgericht Passau zur Haftung von Vater und Sohn?

Keine Störerhaftung des Anschlussinhabers

Das Amtsgericht Passau entschied zunächst, dass der Vater als Anschlussinhaber nicht als Störer haftet.

Der Vater habe nach § 832 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB seiner Aufsichtspflicht genügt. Von aufsichtspflichtigen Personen könne erwartet werden, dass sie sich über das Internet informieren und ihre Kinder vor Gefahren warnen. Die Besonderheit im vorliegenden Fall sei, dass dem Jugendlichen ein kostenloses Spiel angeboten worden sei und er nicht gemerkt habe, dass dies rechtswidrig über eine Tauschbörse erfolge.

Das Internet stehe auch Benutzern ohne spezielle Ausbildung zur Verfügung. Es könne nicht erwartet werden, dass ein Internetnutzer sämtliche Gefahren durchschaue und rechtswidrige Angebote erkenne, die den Anschein der Rechtswidrigkeit vermeiden. Dies würde die Anforderungen an die Aufsichtspflicht überspannen.

Keine Haftung des 14-jährigen Jugendlichen als Täter

Das Amtsgericht Passau entschied weiter, dass auch der 14-jährige Jugendliche nicht als Täter haftet. Dessen Haftung sei nach § 828 Abs. 3 BGB ausgeschlossen gewesen.

Abzustellen sei auf die dem Alter des Kindes entsprechende Einsichtsfähigkeit. Entscheidend sei, ob ein normal entwickeltes Kind vergleichbaren Alters die konkrete Gefährlichkeit seines Tuns habe erkennen können.

Der Jugedliche habe sich gerade nicht verbotswidrig ein Spiel, das eigentlich etwas koste, unter Umgehung der Zahlungspflicht besorgen wollen. Der Jugendliche habe lediglich eine „kostenlose“ Möglichkeit nutzen wollen, die aus seiner Sicht unverdächtig gewesen sei. Bis zur Abmahnung habe der Jugedliche nichts von der Internet-Tauschbörse und den damit verbundenen Verstößen gegen Urheberrecht gewusst.

Welche Auswirkung hat das Urteil aus Passau auf die Praxis bei der Verteidigung gegen Filesharing-Klagen?

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat einen Monat Zeit, gegen das Urteil Berufung zum Landgericht Passau einzulegen.

Indes ist das Urteil schlüssig begründet. Das Urteil zeigt vor allem, dass es den einen Standard-Filesharing-Fall nicht gibt. Hier lag die Besonderheit darin, dass dem Jugendlichen über eine unverdächtig gestaltete Facebook-Seite vorgegaukelt wurde, er könne sich das Spiel kostenlos, aber trotzdem legal, herunterladen.

Besonderen und allgemeingültigen Wert hat daneben die Feststellung des Gerichts, dass die Aufsichtspflicht der Eltern und damit deren Störerhaftung auch davon abhängt, ob und in welchem Umfang ihnen Filesharing-Tauschbörsen und deren Funktionsweise überhaupt ein Begriff ist. Hier reiht sich das Urteil ein in die Reihe der praxisgerechten Entscheidungen der allerletzen Jahre, die bei der Störerhaftung den Allerwelts-User und nicht den IT-Administrator zum Maßstab machen. Erinnern wir uns zurück: Noch vor wenigen Jahren verlangten Gerichte von den aufsichtspflichtigen Eltern mit schöner Regelmäßigkeit Port-Sperren, Seiten-Sperren, eingeschränkte Benutzerkonten und ähnliche technische Finessen. Wissen Sie, wie so etwas geht?