Filesharing-Urteil: Anschlussinhaber muss Hardware der Kinder durchsuchen

Filesharing und die Kontrollpflichten der Eltern – das Amtsgericht Nürnberg entschied mit Urteil vom 25.10.2017, Az. 32 C 3784/17: Der Anschlussinhaber ist nach einer Filesharing-Abmahnung verpflichtet, im Rahmen seiner Aufsichtspflicht die von minderjährigen Kindern genutzte Hardware darauf zu kontrollieren, ob dort die von der Abmahnung betroffenen Programme oder Dateien vorhanden sind.

Filesharing und Aufsichtspflicht – was war geschehen?

Die Klägerin produziert und vermarktet unter anderem Computerspiele. Im Sommer 2013 wurde vom Internetanschluss des Beklagten ein Computerspiel der Klägerin via Filesharing Dritten illegal zum Download angeboten. Den Internetanschluss des Beklagten nutzten auch seine Ehefrau sowie der damals 18-jährige Sohn und die damals 16-jährige Tochter. Angeschlossen waren ein Familien-PC und außerdem ein ausschließlich von den Kindern genutzter Laptop. Die Klägerin mahnte den Beklagten ab. Mit ihrer Klage verlangt sie Lizenz-Schadensersatz und den Ersatz der Abmahnkosten. Der Beklagte verteidigte sich damit, er habe die Kinder über die Gefahren des Internets allgemein belehrt. Nach Erhalt des Abmahnschreibens hätten seine Kinder auf Nachfrage angegeben, das Spiel nicht zum Download bereitgestellt zu haben. Er habe zudem die Hardware auf das Vorhandensein einer Filesharing-Software untersucht und darüber hinaus in den installierten Anwendungen nach dem Computerspiel gesucht.

Wie entschied das Amtsgericht Nürnberg?

Das Amtsgericht Nürnberg gab der Klage statt und verurteilte den Anschlussinhaber.

Bei Filesharing bestehe zunächst eine Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber auch der Täter sei, wenn die Urheberrechtsverletzung über seinen Anschluss begangen wurde. Allerdings könne diese Vermutung dann widerlegt werden, wenn der Anschlussinhaber darlege, dass auch andere Personen berechtigterweise den Internetanschluss mitnutzten.

Im Hinblick auf von Kindern genutzte Hardware gelte: Aus der Aufsichtspflicht, deren Verletzung unter Umständen sogar zu einer Haftung führen könne, ergebe sich die Verpflichtung, die Hardware der Kinder zu kontrollieren. Die Pflicht sei insoweit nicht nur darauf beschränkt, nach einer Abmahnung die Hardware auf Tauschbörsensoftware zu untersuchen. Vielmehr müsse der Erziehungsberechtigte auf der Festplatte konkret nach dem urheberrechtlich geschützten Werk bzw. den diesbezüglichen Dateien suchen.

Der beklagte Anschlussinhaber habe angegeben, nur in den installierten Anwendungen nach Filesharing-Software sowie dem Computerspiel gesucht zu haben. Er hätte aber nach Auffassung des Amtsgerichts darüber hinaus auf der Festplatte nach dem Computerspiel und zugehörigen Dateien suchen müssen. Der Beklagte habe daher die Computernutzung durch Dritte nicht ausreichend dargelegt.

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis der Filesharing-Rechtsverteidigung?

Das Filesharing-Urteil aus Nürnberg ist jedenfalls nach der Pressemeldung des Gerichts vom 27.11.2017 noch nicht rechtskräftig. Es ist zu hoffen, dass der unterlegene Anschlussinhaber gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegt – denn Filesharing und IT scheinen wohl noch Neuland für das Amtsgericht Nürnberg zu sein: In hunderten von Verzeichnissen auf der Festplatte soll der Anschlussinhaber die Filesharing-Software und die abgemahnte Datei finden. Dass derartige Dateien ihren Inhalt nicht groß und fett im Namen tragen, sondern dass sich Filesharing-Programme und Computerspiel-Dateien möglicherweise hinter völlig kryptischen Namen und Kürzeln verbergen, scheint sich dem Gericht nicht zu erschließen. Dass es außerdem auch schon im Jahr 2013 regelmäßig nicht „die Festplatte“ gab, sondern dass ein Sammelsurium weiterer externer Datenträger wie USB-Sticks und USB-Festplatten eher die Regel als die Ausnahme war, scheint sich dem Gericht auch nicht zu erschließen – von Speichermöglichkeiten in der Cloud einmal ganz zu schweigen.

Ach ja: natürlich haben die Eltern aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters viel mehr Erfahrung als ihre Teenager-Sprösslinge. Daher werden die Kinder niemals in der Lage sein, hinter dem Rücken ihrer Eltern installierte Programme und heruntergeladene Dateien zu verbergen – den Eltern entgeht nichts…

Das Filesharing-Urteil aus Nürnberg ist lebensfern. Das Gericht überspannt die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers. Die vom Gericht vorausgesetzten Kontrollmöglichkeiten mögen vielleicht im Jahr 1965 bei einer elektrischen Trix-Eisenbahn bestanden haben. Im Digitalzeitalter gehen sie an der Realität vorbei.

 

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