Welches Recht gilt im Online-Handel mit dem EU-Ausland?

Bei einem grenzüberschreitenden Online-Kauf, bei dem die Vertragsparteien in unterschiedlichen Staaten der Europäischen Union ansässig sind, kommt es zu einem Problem. Nun stellt sich die Frage, nach welchem Recht die Kundschaft gegen den Webshop-Betreiber vorgehen kann und umgekehrt. Hierbei kommt es unter anderem darauf an, ob es sich um einen Vertrag zwischen zwei Unternehmen (B2B-Geschäft) oder um einen Vertrag zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher (B2C-Geschäft) handelt.

Unternehmer oder Verbraucher – B2B oder B2C?

Welche Personen im Rechtsverkehr als Verbraucher gelten und welche Personen als Unternehmer gelten, wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 13 und 14 definiert.

Verbraucher ist nach § 13 BGB

„jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“

Unternehmer ist nach § 14 Abs. 1 BGB

„eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.“

Eine gleichlautende EU-weit geltende Regelung findet sich in Art. 6 Abs. 1 Rom-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht).

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Unternehmern und Verbrauchern ist dabei, ob die Person „in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit“ handelt. Hier geht es um den konkreten Einzelfall und nicht um eine schematische Einordnung. Dazu ein Beispiel:

Ein selbständiger Rechtsanwalt, der bei einem Papierwarengeschäft Druckerpapier und Aktenordner für seine Kanzlei kauft, handelt dabei in Ausübung seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit. Er gilt bei diesem Einkauf als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB.

Kauft dieser Rechtsanwalt in demselben Papierwarengeschäft einen Bogen Geschenkpapier, um das Geburtstagsgeschenk für seine Ehefrau einpacken zu können, handelt er stattdessen als Privatmann und nicht in Ausübung seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit. Er gilt in diesem Fall als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB.

Anwendbares Recht im grenzüberschreitenden B2C-Geschäft

Beim grenzüberschreitenden B2C-Geschäft kommt es darauf an, ob die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben.

Alternative 1: Die Parteien haben keine Rechtswahl getroffen

Haben die Vertragsparteien nichts weiter vereinbart, so unterliegt der Vertrag gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-Verordnung grundsätzlich dem Recht desjenigen Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern das Unternehmen seine gewerbliche Tätigkeit auch in irgendeiner Weise auf diesen Staat ausrichtet. Was aber heißt „auf diesen Staat ausrichten“ bei einem Webshop?

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied mit

dass die bloße Existenz einer Website hierfür nicht ausreicht, auch wenn diese weltweit abrufbar ist, sich also zumindest von ihrer technischen Natur her an alle Menschen in anderen Staaten „richtet“. Stattdessen fordert der EuGH zusätzliche Anhaltspunkte für eine solche grenzüberschreitende Ausrichtung wie z.B.

  • die Angabe einer Telefonnummer mit internationaler Vorwahl,
  • die Erwähnung internationaler Kundschaft,
  • die Verwendung neutraler Top-Level-Domains wie .com und .eu,
  • die Sprachwahl mit der Möglichkeit der Buchung oder Buchungsbestätigung in einer anderen Sprache,
  • die Möglichkeit des Verbrauchers, sich in seiner Sprache an das Unternehmen des Online-Händlers zu wenden,
  • eine Anfahrtsbeschreibung, die auch für die Anreise aus anderen EU-Mitgliedsstaaten gilt.

Außerdem muss die Website zu einem direkten Vertragsschluss über das Internet aufrufen und ein solcher muss auch tatsächlich erfolgen.

Alternative 2: Die Parteien haben eine Rechtswahl getroffen

Haben die Vertragsparteien eine Rechtswahl getroffen, gilt das vereinbarte Recht – aber mit Ausnahmen: Im grenzüberschreitenden B2C-Geschäft ist nämlich vom Händler gemäß Art. 6 Abs. 2 Rom-I-Verordnung grundsätzlich das „Günstigkeitsprinzip“ zu beachten. Gegenüber einem Verbraucher darf die Rechtswahl nicht dazu führen, dass diesem Rechte verloren gehen, die ihm im Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes gewährt werden. Der Verbraucher kann sich also dem Unternehmen gegenüber auch dann auf das am seinem eigenen Wohnsitz geltende, für ihn vorteilhaftere Verbraucherrecht berufen, wenn im Vertrag ein anderes Recht vereinbart wurde.

Im Ergebnis hat der Verbraucher hier ein Wahlrecht: Er kann sich auf das Recht seines Wohnsitzstaates berufen, wenn dieses für ihn günstiger ist. Oder er beruft sich auf das vereinbarte Recht, wenn jenes für ihn günstiger ist.

Ausnahmen von diesem „Günstigkeitsprinzip“ sind in Art. 6 Abs. 4 Rom-I-Verordnung aufgelistet. Demnach gelten die oben erläuterten Regeln insbesondere nicht bei folgenden Verbraucherverträgen:

  • Beförderungsverträge (Gegenausnahme: Pauschalreisen),
  • Verträgen, die Immobilien betreffen (Kauf, Miete; Gegenausnahme: Timesharing),
  • Dienstleistungen, sofern diese ausschließlich in einem anderen Staat als dem des Verbrauchers erbracht werden (z. B. Ski-Kurs).

Gerichtsstand im grenzüberschreitenden B2C-Geschäft

Verbraucher können gemäß Art. 17 lit. c) der Brüssel-Ia-Verordnung [Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung)] vor einem Gericht in ihrem Wohnsitzstaat gegen ein Unternehmen Klage erheben, wenn dieses seine geschäftliche Tätigkeit (auch) auf diesen Staat ausgerichtet hat.

Anwendbares Recht im grenzüberschreitenden B2B-Geschäft

Für internationale Verträge zwischen zwei Unternehmen gilt:

Alternative 1: UN-Kaufrecht

Haben die Vertragsparteien einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache oder über Standardsoftware abgeschlossen, die nicht dem persönlichen Gebrauch dient, so kann das UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) von 1980 Anwendung finden.

Dabei handelt es sich um eine völkerrechtliche Vereinbarung mit Regelungen zum Kaufvertragsrecht. Das CISG gilt nur für Fälle, in denen beide Vertragspartner aus unterschiedlichen Staaten stammen und beide gewerblich tätig sind. Außerdem muss mindestens eine Vertragspartei in einem Vertragsstaat des Übereinkommens ansässig sein.

Alternative 2: Keine Rechtswahl – Recht der charakteristischen Leistung

Haben die Vertragsparteien keine Rechtswahl getroffen, so gilt für den Vertrag das Recht desjenigen Staates, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Dies ist in der Regel das Land, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung des Vertrages erbringt, ihren Sitz hat.

Bei einem Kaufvertrag ist das z. B. das Land, in dem der Verkäufer ansässig ist. Bei einem Vertrag über den Download von Software ist es das Land, in dem der Software-Anbieter seinen Sitz hat.

Alternative 3: Rechtswahl

Bei B2B-Verträgen können die Vertragsparteien grundsätzlich selbst bestimmen, welchem Recht ihr Vertrag unterliegen soll. Diese Rechtswahl kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent (z.B. durch Verweise auf einzelne Vorschriften eines nationalen Rechts oder durch Vereinbarung eines Gerichtsstandes) geschehen.

Die Vertragsparteien können dabei auch entscheiden, ob das gewählte Recht für den ganzen Vertrag oder nur für Teile des Vertrages gelten soll.

Sie können jederzeit eine andere Rechtswahl treffen. In der Praxis wird das anwendbare Recht in einzelnen Vertragsklauseln oder in den AGB einer Partei festgelegt.

Liegt eine Rechtswahl vor, so findet grundsätzlich das gewählte Recht Anwendung. Davon aber gibt es Ausnahmen:

Weist der Vertrag nur Verbindungen zu einem einzigen Staat auf, so kann von den zwingenden Bestimmungen des Rechtes dieses Staates nicht abgewichen werden.

Führt das anwendbare Recht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, so wird von deutschen Gerichten eine Korrektur des gewählten Rechts vorgenommen.

Wird das Recht eines Vertragsstaates des UN-Kaufrechts gewählt, so haben die Regelungen des CISG Vorrang, wenn die restlichen Voraussetzungen für ihre Anwendung vorliegen. Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, müssen die Vertragsparteien daher eine Rechtswahl unter Ausschluss des UN-Kaufrechts treffen.

 

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