Filesharing: Debcon, der BGH und die Verjährung nach 10 Jahren

Verjährung bei Filesharing: Das Inkassounternehmen Debcon GmbH aus Bottrop wartet mit einem neuen Serienschreiben auf, wie meist – jedenfalls hierher – per Telefax mit unterdrückter Rufnummer um kurz nach 20 Uhr versandt. Auch bei Debcon, so hat es den Anschein, verfolgt man die aktuelle BGH-Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof entschied mit seinem am 25.10.2016 veröffentlichten Urteil „Everytime we touch“ vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15, dass nach einer Filesharing-Abmahnung der Lizenz-Schadensersatzanspruch erst nach 10 Jahren – und nicht wie im Regelfall bereits nach 3 Jahren – verjährt. So weit, so schlecht.

Debcon und die tatsächliche Vermutung der Täterschaft

Aus diesem Urteil des BGH trachtet Debcon nun – legitimerweise – Honig zu saugen: Altfälle, die bereits länger als 3 Jahre zurückliegen, werden offenbar in erheblichem Umfang reaktiviert, und die Abmahnungsempfänger werden mit Vergleichsangebot zur Zahlung aufgefordert. Die Interpretation der Rechtslage, wie sie Debcon vornimmt, kann freilich nicht unkommentiert bleiben. Der magische Begriff auch für Debcon heißt „tatsächliche Vermutung der Täterschaft“. Die Interpretation dieses Begriffs durch Debcon ist allerdings arg verkürzt.

Beweislastverteilung à la Debcon

„Es besteht tatsächliche Vermutung der Täterschaft“

Fettdruck. Unterstrichen. Kleine Verweisziffer am Ende.

Erläuterung durch Debcon auf der nächsten Seite:

„Der BGH stellt klar, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch dann greift, wenn es sich um einen ‚Familienanschluss‘ handelt, der regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Der Inhaber des Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast erst dann gerecht, ‚wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Darüber hinaus steht eine mögl. Ortsabwesenheit nicht entgegen. Es verbleit damit bei der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, der dann auf Unterlassung, Schadens- und Kostenersatz haftet.“

Liebe Debcon: Bevor wir uns über die tatsächliche Vermutung der Täterschaft unterhalten, muss erst einmal die abmahnende Partei (oder Debcon bei einer abgetretenen Forderung) unter anderem den vollen Beweis dafür erbringen, dass der Rechtsverstoß tatsächlich über den Internet-Anschluss des Abmahnungsempfängers begangen wurde – durch wen auch immer. Unter anderem. Misslingt dieser Beweis, hilft eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft auch nicht weiter. Ob die tatsächliche Vermutung der Täterschaft, die sich nicht aus dem Gesetz ergibt, sondern reine BGH-Rechtsprechung ist, auf aktuelle Fälle überhaupt anwendbar ist, wird von manchen Autoren in Zweifel übrigens gezogen. Also immer der Reihe nach.

„Es besteht Restschadenanspruch“

Wieder Fettdruck, unterstrichen, kleine Verweisziffer am Ende.

Erläuterung durch Debcon:

„Ihre Mandantschaft hat durch die Verletzung des Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Datei mit dem urheberrechtlich geschützten Werk auf Kosten des Rechteinhabers etwas im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG erlangt. Er hat durch das Bereithalten dieses Werkes zum Download über eine Internettauschbörse in den Zuweisungsgehalt des der Rechteinhaberin zustehenden Rechts eingegriffen und sich damit auf deren Kosten den Gebrauch dieses Rechtes ohne rechtlichen Grund verschafft. Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen Lizenzgebühr. Entgegen einer in der Instanzrechtsprechung vertretenen Ansicht gelten diese Grundsätze auch für das widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch Bereitstellen zum Herunterladen über eine Internettauschbörse.“

Liebe Debcon: Lizenz-Schadensersatz muss bei Filesharing nur der Täter bezahlen. Das hat übrigens auch schon – nicht nur einmal – der BGH entschieden. Erst muss der Rechtsverstoß bewiesen sein; siehe oben. Dann darf die tatsächliche Vermutung der Täterschaft nicht widerlegt worden sein. Jetzt erst reden wir über Schadensersatzansprüche gegen den Täter. Wieder: Immer der Reihe nach.

„Verjährung ist nicht eingetreten“

Bereits bekannt: Fettdruck, unterstrichen, kleine Verweisziffer am Ende.

Erläuterung durch Debcon:

„Der Rechteinhaberin steht ein Anspruch auf Zahlung eines Lizenzschadens als ‚Restschadensersatzanspruch‘ zu, der nach § 102 Satz 2 UrhG in Verbindung mit § 852 BGB erst nach 10 Jahren verjährt. Ausdrücklich erteilt der BGH der anderslautenden Auffassung einiger Instanzgerichte (LG Bielefeld, AG Düsseldorf, LG Frankenthai, AG Kassel, AG Hannover, AG Koblenz, AG Braunschweig, AG Nürtingen, AG Charlottenburg, AG Bochum AG Nürnberg) eine Absage. Ihre Mandantschaft hat durch die Verletzung des Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Datei mit dem urheberrechtlich geschützten Werk auf Kosten des Rechteinhabers etwas im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG erlangt. (…)“

Liebe Debcon, noch einmal: Lizenz-Schadensersatz muss bei Filesharing nur der Täter bezahlen. Siehe oben: Sagt der BGH. Beweislastverteilung beachten. Immer der Reihe nach.

„Wirksamkeit“

Fettdruck. Unterstrichen. Kleine Verweisziffer am Ende. Ein Wort. Knackig!

Erläuterung durch Debcon auf der nächsten Seite:

„Für die Wirksamkeit der Abmahnung ist es laut BGH unerheblich, ob die beigefügte Unterlassungserklärung für einen ‚Täter‘ oder ‚Störer‘ formuliert war: ‚Die Formulierung der Unterlassungserklärung ist Sache des Schuldners'“.

Liebe Debcon, ein letztes mal für heute: Beweislast beachten. Reihenfolge beachten. Nicht über ungelegte Eier gackern.

Bis zum nächsten mal um kurz nach 20 Uhr bei unterdrückter Faxnummer.

 

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