Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht: Übersicht

Eine berechtigte Abmahnung aus dem Markenrecht zieht regelmäßig weitreichende Konsequenzen nach sich: nicht nur eine einzelne Werbeaussage oder eine einzelne Marketing-Maßnahme wird untersagt, sondern jede geschäftliche Aktivität rund um ein bestimmtes Produkt, rund um ein bestimmtes Logo, einen bestimmten Namen oder einen bestimmten Slogan soll verboten sein. Die markenrechtliche Abmahnung bezweckt regelmäßig ein vollständiges Vertriebsverbot. Sie bedroht also viel fundamentaler das unternehmerische Grundkonzept, als dies bei einer Abmahnung aus dem Wettbewerbsrecht der Fall ist. Aber nicht immer ist die Abmahnung des Markeninhabers berechtigt: Dessen Markenrecht kann bereits erschöpft sein.

Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht – was ist das?

Der Erschöpfungsgrundsatz ist in § 24 Abs. 1 MarkenG geregelt: Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.

Der Erschöpfungsgrundsatz soll einen Ausgleich zwischen den Interessen des Markeninhabers auf der einen Seite und dem freien Warenverkehr auf der anderen Seite herbeiführen. Der Markeninhaber soll bestimmen dürfen, ob, wo und wie seine Waren erstmals in den Verkehr gebracht werden. Auf diese Weise soll zunächst der Markeninhaber auf den wirtschaftlichen Wert seiner Marke Einfluss nehmen können, indem er beispielsweise bestimmt, ob Waren unter dieser Marke als Massenprodukte an jeder Ecke zu haben sind oder als Exklusivprodukte in beschränkter Auflage erhältlich sind. Danach aber soll kein Händler in der nachfolgenden Vertriebskette durch absolute Markenrechte behindert sein.

Der Erschöpfungsgrundsatz erfasst neben dem Vertrieb der konkreten Originalware auch die Werbung für die Ware. Der Erschöpfungsgrundsatz greift nicht, wenn die Werbung nicht produktbezogen, sondern unternehmensbezogen erfolgt.

Erschöpfung durch Inverkehrbringen

Inverkehrbringen bedeutet: Der Markeninhaber hat die Verfügungsgewalt über die mit der Marke versehene Ware auf einen Dritten übertragen und dadurch den wirtschaftlichen Wert der Marke realisiert. Aber: Die Erschöpfung des Markenrechts tritt immer nur bezüglich der konkrete Ware ein, die der Markeninhaber in den Verkehr gebracht hat.

Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz

Eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz macht § 24 Abs. 2 MarkenG. Danach kann sich der Markeninhaber der Benutzung der Marke im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzen, wenn z.B. der Zustand der Waren nach dem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert wird. Beispiele aus der Rechtsprechung: Jeans werden umgefärbt und in dieser neuen Farbe weiterverkauft. Oder Armbanduhren werden durch den Einbau anderer Zifferblätter verändert. Ein berechtigter Grund in diesem Sinne kann auch dann vorliegen, wenn die Ware selbst unverändert bleibt, allerdings der Ruf der Marke erheblich geschädigt wird, indem z.B. die Ware ohne die dazugehörige Originalverpackung weiterverkauft wird.

Beweislast zum Erschöpfungsgrundsatz

Bei der Erschöpfung handelt es sich um eine sogenannte Einwendung gegen die markenrechtlichen Unterlassungs- und sonstigen Ansprüche. Die Beweislast für die Erschöpfung des Markenrechts trifft deshalb grundsätzlich denjenigen, dem die Markenverletzung bezichtigt wird. Im Gerichtsverfahren hat also der Abmahnungsempfänger darzulegen und zu beweisen, dass die betreffenden Produkte vom Markeninhaber selbst oder mit Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebracht worden sind.

Vorsicht: Wem eine Verletzung von Markenrecht vorgeworfen wird, kann sich nicht einfach damit entlasten kann, von nichts gewusst oder einfach auf die Erschöpfung des Markenrechts vertraut zu haben. Wer also Ware von jemand anderem als dem Markeninhaber erwirbt, muss sicherstellen, dass für diese Ware die Erschöpfung eingetreten ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied allerdings in seinem Urteil „Converse I“ vom 15.03.2012, Az. I ZR 52/10, seinem Urteil „Converse II“ vom 15.03.2012, Az. I ZR 137/12, und ebenso ebenso mit Beschluss vom 07.08.2012, Az. I ZR 99/11, dass die Erfordernisse des Schutzes des freien Warenverkehrs nach Art. 34 und 36 AEUV allerdings eine Modifizierung dieser allgemeinen Beweisregel gebieten, wenn sie es einem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen. Danach, so der BGH, obliegt dem Markeninhaber insbesondere dann, wenn er seine Waren im Europäischen Wirtschaftsraum über ein ausschließliches Vertriebssystem in Verkehr bringt, der Nachweis, dass die Waren ursprünglich von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden sind, wenn der von ihm wegen Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommene Dritte nachweisen kann, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls er den Beweis der Erschöpfung zu erbringen hat.

Fazit

Markenrecht ist häufig ein Kampf David gegen Goliath: Auf der einen Seite ein mächtiger Konzern, der seine Ansprüche mit allem Nachdruck geltend macht, auf der anderen Seite ein kleiner Händler, dessen unternehmerischer Erfolg ganz entscheidend davon abhängt, die Markenware vertreiben zu dürfen. Der Erschöpfungsgrundsatz, um beim Bild David gegen Goliath zu bleiben, ist dann oft die Steinschleuder in der Hand des Kleinen, die den Großen stoppt.

Wer Waren nicht vom Markeninhaber selbst erwirbt, sondern von einem Zwischenhändler, sollte sich von diesem nach Möglichkeit die freie Verkäuflichkeit der Ware in der EU bestätigen lassen und sämtliche Quittungen und sonstige Unterlagen, die mit dem Erwerb zu tun haben, sorgfältig aufbewahren.