Kein Gewährleistungsausschluss bei Zustandsnote im Oldtimer-Kaufvertrag

Zustandsnote im Oldtimer-Kaufvertrag und Ausschluss der Gewährleistung – der Bundesgerichtshof (BGH) entscheid mit Urteil vom 23.07.2025, Az. VIII ZR 240/25: Wird in einem Oldtimer-Kaufvertrag im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands eine Zustandsnote angegeben, so ist regelmäßig von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) auszugehen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen. Das gilt auch, wenn der Oldtimer durch einen privaten Verkäufer angeboten wird.

Sachverhalt: Worum geht es?

Der spätere Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster des Baujahrs 1973, der über eine H-Zulassung verfügte. Der spätere Beklagte hatte dieses Auto auf einer Onlineplattform angeboten. Dort war als Zustandsnote „2-3“ angegeben. Zudem wies der Beklagte darauf hin, das Fahrzeug zwölf Jahre besessen zu haben. Weiter machte er den technisch einwandfreien Zustand des Fahrzeugs und die fortlaufend durchgeführten Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen geltend.

Die Parteien schlossen den Kaufvertrag über das Auto. Sie schlossen dort die Sachmängelgewährleistung aus. Eine Ausnahme von diesem Gewährleistungsausschluss wurde unter anderem für die Haftung bei Beschaffenheitsvereinbarungen vereinbart. Weiter hieß es in dem Kaufvertrag: „Der Käufer erklärt Folgendes verbindlich zum Zustand des Fahrzeugs: – siehe Gutachten – Note 2-3“.

Bei Vertragsschluss lagen dem Käufer und späterem Kläger bezüglich des Fahrzeugs zwei Gutachten vor. Das erste stammte aus dem Jahr 2011. Es wies für das Fahrzeug eine Zustandsnote „2,0“ aus. Das zweite stammte aus dem Jahr 2017 und wies eine Zustandsnote „3-“ aus.

Anfang des Jahres 2022 stellte der Käufer das Fahrzeug beim TÜV zur Hauptuntersuchung vor. Dort fiel der Wagen wegen erheblicher Mängel durch. Unter anderem monierte der TÜV eine an verschiedenen Stellen korrosionsgeschwächten Bodengruppe, mehrfach durchgerostete Schweller und ein durchgerostetes Radhaus hinten jeweils links und rechts.

Der Käufer forderte den Verkäufer auf, die Mängel zu beseitigen – erfolglos. Deshalb erklärte der Käufer den Rücktritt von dem Kaufvertrag. Mit seiner Klage verlangte er von dem beklagten Verkäufer im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie den Ersatz von Aufwendungen.

In den Vorinstanzen war der Kläger erfolglos geblieben: Sowohl das Landgericht Hamburg (Urteil vom 05.09.2023, Az. 211 O 62/23) als auch das Oberlandesgericht Hamburg als Berufungsgericht (Urteil vom 18.10.2024, Az. 5 U 102/23) entschied jeweils gegen ihn.

Erst die Revision des Klägers zum Bundesgerichtshof hatte Erfolg.

Ergebnis: Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Es habe hier eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF dahingehend vorgelegen, dass das Fahrzeug einen der Zustandsnote „2-3“ entsprechenden Zustand, also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten „2“ und „3“ liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien, aufweist.

_ Vertragsauslegung

Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliege, sei eine Frage der – nach beiden Seiten hin interessengerechten – Vertragsauslegung. Im Bereich des Oldtimerkaufs sei bei dieser Auslegung die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten zu berücksichtigen. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell sei allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten gäben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie hätten maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs.

Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers komme deshalb der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer grundsätzlich die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befinde und der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands die Gewähr übernehmen wolle. Es sei deshalb regelmäßig von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen, wenn in den Vertragsunterlagen im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers eine Zustandsnote angegeben ist. Das gelte auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer. Etwas Anderes könne nur gelten, sofern im Einzelfall besondere Umstände gegen die verbindliche Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands sprechen.

_ Keine besonderen Umstände

Derartige Umstände lägen hier nicht vor. Im Gegenteil bestätige der weitere Inhalt des Kaufvertrags und die sonstigen Umstände seines Abschlusses das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung. Hiernach solle die Angabe der Zustandsnote „2-3“ verbindlich sein. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit der Angabe der Zustandsnote „2-3“ in dem Kaufvertrag sei nicht dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte hiermit lediglich auf die Gutachten als fremde Quellen verweisen und damit zum Ausdruck bringen wolle, dass es sich bei der angegebenen Zustandsnote um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wolle. Die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von „2-3“ entspreche weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten, noch ergebe sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten, sondern übertreffe diesen.

Nach dem objektiven Empfängerhorizont könne dies nur so verstanden werden, dass der Beklagte einen gegenüber dem letzten Gutachten verbesserten Zustand zusagen wolle. Zum anderen enthalte die Erklärung des Beklagten in dem Kaufvertrag nach objektivem Empfängerhorizont eine Angabe zum aktuellen Fahrzeugzustand, der für die Kaufentscheidung grundsätzlich ausschlaggebend sei. Die Gutachten bezögen sich jedoch auf weit zurückliegende Zeitpunkte. Die Erklärung des Beklagten zum Fahrzeugzustand gehe demnach über den Inhalt der Gutachten hinaus. Sie stelle damit keine reine Mitteilung fremden Wissens dar.

_ Vorangegangene Verkaufsanzeige

Bei der gebotenen Betrachtung der Gesamtumstände sei die Verkaufsanzeige ebenfalls heranzuziehen. Sie stütze dieses Auslegungsergebnis. In der Verkaufsanzeige habe der Beklagte aufgezeigt, dass er den Zustand des Fahrzeugs seit zwölf Jahren aus eigener Anschauung gekannt habe und das Fahrzeug fortlaufend durch Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in dem von ihm behaupteten guten Zustand erhalten habe. Vor diesem Hintergrund könne die Aussage in dem Kaufvertrag, das Fahrzeug weise einen Zustand von „2-3“ auf, erst recht nur so verstanden werden, dass der Beklagte damit den Ist-Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs beschreiben und hierfür auch die Gewähr übernehmen wolle.

_ Kein Gewährleistungsausschluss

Da somit eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich eines Fahrzeugzustands von „2-3“ liege, könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Für die Entscheidung komme es darauf an, ob das Fahrzeug sich entsprechend der Beschaffenheitsvereinbarung in einem im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten „2“ und „3“ entsprechenden Erhaltungszustand befand.

_ Fehlende Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Erhaltungszustand

Zum Erhaltungszustand habe das Oberlandesgericht als Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat deshalb das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Auswirkung auf die Praxis

Der Ober sticht den Unter – die spezifische Zustandsbeschreibung geht dem allgemeinen Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag vor: So lässt sich das Urteil des Bundesgerichtshofs zusammenfassen. Konsequenterweise muss dies nicht nur gelten, wenn der Erhaltungszustand mit Schulnoten bezeichnet wird. Auch in anderen Sammlergebieten übliche Bezeichnungen können eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge haben, z. B. „vintage“ bei Bekleidung oder „mint“ bei Schallplatten. Nach vorne Clickbaiting mit vollmundigen Zustandsbeschreibungen in der Online-Produktbeschreibung und dann die Flucht durch die Hintertür mittels Gewährleistungsausschluss: Dem hat der Bundesgerichtshof einen Riegel vorgeschoben. Entweder – oder.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt