Rechtsmissbrauch durch IDO Verband: Urteil LG Hildesheim

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und Unterlassungsklagen des IDO Verbandes – das Landgericht Hildesheim entschied mit Urteil vom 24.11.2020, Az. 11 O 5/19: Der IDO Verband e.V. handelt rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG (alte Fassung; seit dem 02.12.2020: § 8c UWG).

Sachverhalt: Worum geht es?

Der IDO Verband e.V. (IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) fällt bereits seit einigen Jahren als Abmahnverein auf: Nicht nur versendet er viele wettbewerbswidrige Abmahnungen; mehr noch zeigt er sich als prozessfreudig, wenn die geforderte Unterlassungserklärung verweigert wird. In seinen Abmahnschreiben führt der IDO Verband regelmäßig eine lange Liste von Urteilen und Beschlüssen auf.

Das Landgericht Hildesheim ließ sich davon nicht beeindrucken und sah näher hin.

Ergebnis: Wie entschied das Gericht?

Das Landgericht Hildesheim wies die Unterlassungsklage des IDO Verbandes gegen ein Unternehmen schon deswegen ab, weil die Mitgliederstruktur des IDO Verbandes für einen Rechtsmissbrauch sprach.

Der IDO Verband unterteile ohne sachlichen Grund seine Mitglieder in (unverhältnismäßig wenige) aktive Mitglieder mit Stimmrecht innerhalb des Verbandes und in (fast überwiegend) passive Mitglieder ohne Stimmrecht innerhalb des Verbandes. Die Mitgliederstruktur habe gemäß § 8 Abs. 4 UWG a.F. zur Folge, dass Abmahnung und nachfolgende Unterlassungsklage des IDO Verbandes unzulässig seien:

„Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG) [Anm. RA Loebisch: Jetzt § 8 c UWG], der bereits die Zulässigkeit der Unterlassungsklage betrifft (BGH, Urteil vom 20.12.2001, I ZR 215/98 – Scanner-Werbung, Rn. 32), greift durch. Für einen Rechtsmissbrauch spricht, dass der Kläger die Unternehmen, deren Interessen er nach seiner Satzung fördern will, nur als passive Mitglieder aufnimmt und diese damit – ohne ersichtlichen sachlichen Grund – gezielt von der Willensbildung des Vereins ausschließt. Dass die zu fördernden Unternehmen ausschließlich als passive Mitglieder aufgenommen werden, ergibt sich dabei aus den – von dem Beklagten vorgelegten und auf der Homepage abrufbaren – Nutzungsbedingungen des Klägers.“

Und weiter:

„Ein sachlicher Grund, warum die Online-Unternehmen, deren Interessen der Kläger nach seiner Satzung gerade und ausschließlich fördern will, von der Willensbildung des Klägers ausgeschlossen werden, ist danach nicht ersichtlich. Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger vor allem zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu generieren, und dass die zur Erlangung der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden (vgl. zum Rechtsmissbrauch OLG Celle, Urteil vom 26.03.2020, 13 U 73/19, Rn. 30 ff.).“

Auswirkung auf die Praxis

Der IDO Verband, so ist zu lesen, legte gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim Berufung ein.

Auch andere Gerichte sprachen dem IDO Verband die wettbewerbsrechtliche Aktivlegitimation ab, also die Befugnis, Abmahnungen zu versenden und die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gerichtlich mittels Verfügungsantrag oder Klage durchzusetzen, oder attestierten Rechtsmissbrauch:

  • Landgericht Rostock, Urteil vom 29.10.2019, Az. 6 HK O 2/19 (Berufungsinstanz: OLG Rostock 2 U 16/19)
  • Landgericht Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Az 21 O 38/19 KFH (Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart unter dem Az. 2 U 8/20 anhängig)
  • Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 26.03.2020, Az. 13 U 73/19
  • Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 31.08.2020, Az. 2 U 5/19
  • Landgericht Bielefeld, Urteil vom 26.01.2021, Az. 15 O 26/19
  • Landgericht Potsdam, Urteil vom 23.02.2021, Az. 52 O 102/20
  • Landgericht Potsdam, Urteil vom 29.06.2021, Az. 52 O 111/20

Hier begründeten die Gerichte den Rechtsmissbrauch unter anderem damit, der IDO Verband verschone seine eigenen Mitglieder.

Das Landgericht Bonn vertrat mit Urteil vom 29.09.2020, Az. 11 O 44/19, die Rechtsauffassung, eine Abmahnung des Vereins wegen der geringen Bedeutung des Wettbewerbsverstoßes sei rechtsmissbräuchlich.

Die Erwägungen des Landgerichts Hildesheim zur Mitgliederstruktur und zum hieraus folgenden Rechtsmissbrauch gelten nicht nur für den IDO Verband. Sie geben Anlass, sich nach einer Abmahnung – oder auch nach einer Aufforderung, wegen eines Verstoßes gegen eine bereits abgegebene Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe zu zahlen – einmal die Satzung des einen oder anderen Abmahnvereins oder Wettbewerbsverbandes genauer durchzulesen. Ein Verein ist schnell gegründet. Muster für eine Vereinssatzung finden sich im Internet zuhauf. Ein paar edle wettbewerbsrechtliche Zielsetzungen sind dort schnell hineingeschrieben, ein Vereinszweck also leicht gefunden. Das alles ist aber noch keine Lizenz zur Massenabmahnung, und erst recht keine Lizenz zum Geldverdienen.

[Ergänzung 16.08.2021: Urteile Landgericht Potsdam]

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt

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