Wettbewerbsrecht: BGH-Grundsatzurteil zur Geschäftsführerhaftung

BGH-Grundsatzentscheidung zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 18.06.2014 Az. I ZR 242/12: Der Geschäftsführer einer GmbH haftet für Wettbewerbsverstöße nicht schon alleine aufgrund seiner Organstellung, also weil er eben der Geschäftsführer ist. 

Was war geschehen?

Zwei Gasversorgungsunternehmen stritten über Wettbewerbsverstöße bei der Haustürwerbung. Das klagende Unternehmen richtete seine Klage nicht nur gegen das Konkurrenzunternehmen, eine GmbH, sondern zusätzlich gegen deren Geschäftsführer. Die Klägerin vertrat dabei die Ansicht, neben der beklagten GmbH hafte auch deren Geschäftsführer persönlich: Der Geschäftsführer, so die Klägerin, habe die Verstöße gekannt und seinen Betrieb jedenfalls nicht so organisiert, dass er die Einhaltung von Rechtsvorschriften habe sicherstellen können.

Wie entschied der BGH zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße?

Der BGH entschied zugunsten des Geschäftsführers und verneinte dessen persönliche Haftung. Die offiziellen Leitsätze des BGH lauten:

„a) Der Geschäftsführer haftet für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.
b) Allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründen keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern.
c) Der Geschäftsführer haftet allerdings persönlich aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat.“

Keine Störerhaftung im Wettbewerbsrecht

Der BGH hob zunächst den Unterschied zwischen der Verletzung absoluter Rechte wie etwa dem Verstoß gegen Urheberrecht und dem Verstoß gegen Wettbewerbsrecht als so genanntes Verhaltensunrecht hervor. Beim Verhaltensunrecht könne die Haftung nach der neueren Rechtsprechung des BGH alleine nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und der Teilnahme begründet werden. Eine Störerhaftung, wie sie bei der Verletzung absoluter Rechte infrage komme, scheide im Wettbewerbsrecht aus.

Schlichte Kenntnis und Organstellung ziehen noch keine Haftung nach sich

Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht reiche nicht aus, um dessen Haftung zu begründen. Erforderlich sei vielmehr grundsätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruhe, dass nach seinen äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten sei.

Alleine die Organstellung des Geschäftsführers und dessen allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründeten keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern. Die nach § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG dem Geschäftsführer einer GmbH und den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung umfasse zwar auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Rechtsverletzungen wie etwa Wettbewerbsverstöße unterbleiben. Diese Pflicht bestehe aber grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft. Diese Pflicht bestehe nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten.

Welche Auswirkung hat das BGH-Urteil zur Geschäftsführerhaftung auf die Praxis?

Der BGH schränkt mit seinem Urteil die persönliche Haftung eines Geschäftsführers ganz erheblich ein. Nur noch in folgenden Fällen kann der Geschäftsführer persönlich von Dritten verantwortlich gemacht werden:

  1. Der Wettbewerbsverstoß betrifft Angelegenheiten, über die typischerweise auf der Geschäftsführerebene entschieden wird, wie etwa Firmierung, allgemeiner Werbeauftritt, Presseerklärungen, in denen der Geschäftsführer selbst zu Wort kommt, oder der allgemeine Internetauftritt des Unternehmens). Aber auch hier kann sich der Geschäftsführer von seiner Haftung befreien, indem er nachweist, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die nicht zu seinem originären Verantwortungsbereich gehört.
  2. Der Geschäftsführer hat den Wettbewerbsverstoß selbst begangen oder in Auftrag gegeben oder zumindest oder den Geschäftsführer trifft aufgrund besonderer Umstände eine Garantenpflicht – alleine die Organstellung reicht dafür ebenso wenig aus wie beispielsweise die Einschaltung von Subunternehmern.
  3. Der Geschäftsführer entzieht sich bewusst der Möglichkeit, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen zu erlangen, indem er sich z.B. dauerhaft im Ausland aufhält.

Zum Schluss: Vorsicht – das Urteil des BGH betrifft ausdrücklich nur die Verantwortlichkeit im Außenverhältnis gegenüber Konkurrenzunternehmen nach Wettbewerbsrecht. Eine allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftungsbefreiung für Geschäftsführer ist damit nicht verbunden: Die Verantwortlichkeit im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern bleibt bestehen. Kein Grund also für Geschäftsführer, zukünftig das Wettbewerbsrecht aus dem Blick zu verlieren.