Urteil: Freigabeanspruch gegen Domain-Treuhänder aus Namensrecht

Domaintreuhand für einen Namensträger und Domain-Freigabeanspruch einer gleichnamigen Person – der Bundesgerichtshof (BGH)entschied mit am 18.08.2016 veröffentlichten Urteil vom 24.03.2016 „grit-lehmann.de“, Az. I ZR 185/14: Der Inhaber eines Namens hat Vorrecht auf die entsprechende de-Domain, solange nicht auf einfache und zuverlässige Weise überprüft werden kann, ob die Registrierung tatsächlich im Auftrag eines Namensträgers erfolgt ist. Eine „Baustellen-Seite“, die nur den Hinweis enthält, es entstehe eine neue Internetpräsenz, stellt noch keinen Internetauftritt des Namensinhabers dar, der die Annahme rechtfertigt, die Registrierung des Domainnamens sei im Auftrag des Namensträgers erfolgt.

Namensträgerin gegen Domain-Treuhänder – worum ging es?

Die Klägerin ist Inhaberin der aus ihrem bürgerlichen Namen gebildeten Domains „gritlehmann.de“ und „gritlehmann.com“. Der Beklagte registrierte im Jahr 2007 auf seinen Namen die Domainname „grit-lehmann.de“. Die unter dem Domainnamen „grit-lehmann.de“ aufrufbare Internetseite enthielt lediglich den Hinweis, dass dort eine neue Internetpräsenz entsteht.

Die Klägerin erwirkte im Jahr 2010 bei der DENIC einen sogenannten Dispute-Eintrag für den Domainnamen „grit-lehmann.de“. Sie forderte den Beklagten erfolglos zur Freigabe der Domain auf und machte die Domainfreigabe schließlich im Klagewege geltend.

Der Beklagte verteidigte sich gegen die Klage damit, er sei lediglich Domaintreuhänder für seine ehemalige Lebensgefährtin. Diese heiße mit bürgerlichem Namen ebenfalls Grit Lehmann. Sie trage die Kosten und nutze die dazugehörige E-Mail-Adresse.

Sowohl vor dem Landgericht Berlin (Urteil vom 17.10.2013, Az. 27 O 466/13) wie auch in der Berufungsinstanz vor dem Kammergericht Berlin (Urteil vom 04.07.2014, Az. 5 U 153/13) blieb die Klägerin erfolglos. Mit ihrer Revision zum BGH verfolgte sie ihren Domain-Freigabeanspruch weiter.

Wie entschied der BGH zur Konkurrenz von Namensinhaberin und Domain-Treuhänder?

Der BGH gab der Klägerin recht und verurteilte den Beklagten unter anderem dazu, gegenüber der DENIC auf den Domainnamen „grit-lehmann.de“ zu verzichten.

_ Domain-Freigabeanspruch aus Namensrecht

Die Klägerin könne ihren Anspruch auf Domainfreigabe auf ihr Namensrecht (§ 12 S. 1 BGB) stützen. Es liege ein Fall der unberechtigten Namensanmaßung durch den Beklagten vor (§ 12 S. 1 Fall 2 BGB). Für eine solche Namensanmaßung reiche die bloße Registrierung des Domainnamens aus, wenn mit der Registrierung eine erhebliche Beeinträchtigung der namensrechtlichen Befugnisse verbunden sei:

„Wird der eigene Name durch einen Nichtberechtigten als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain ‚.de‘ registriert, wird dadurch über die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges Interesse des Namensträgers beeinträchtigt, da die mit dieser Bezeichnung gebildete Internetadresse nur einmal vergeben werden kann (BGH, GRUR 2008, 1099 Rn. 25 – afilias.de; BGH, Urteil vom 9. November 2011 – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 39 = WRP 2012, 330 – Basler Haar-Kosmetik). Der berechtigte Namensinhaber wird so von der eigenen Nutzung des Namens als Domainname unter dieser Top-Level-Domain ausgeschlossen (BGHZ 149, 191, 199 – shell.de; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 296/00, BGHZ 155, 273, 276 f. – maxem.de; Urteil vom 8. Februar 2007 – I ZR 59/04, BGHZ 171, 104 Rn. 11 – grundke.de; BGH, GRUR 2008, 1099 Rn. 19 – afilias.de; GRUR 2012, 304 Rn. 38 – Basler Haar-Kosmetik; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 150/11, GRUR 2013, 294 Rn. 14 = WRP – 7 – 2013, 338 – dlg.de; BGH, GRUR 2014, 506 Rn. 28 – sr.de). Kommen mehrere Personen als berechtigte Namensträger in Betracht, gilt für sie hinsichtlich der Registrierung ihres Namens als Domainname grundsätzlich das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2001 – I ZR 216/99, BGHZ 148, 1, 10 – Mitwohnzentrale.de; BGHZ 149, 191, 200 – shell.de; BGHZ 171, 104 Rn. 16 – grundke.de). Nach diesen Maßstäben kann eine Verletzung des Namensrechts der Klägerin nicht verneint werden.“

_ Keine Priorität zugunsten des beklagten Domain-Treuhänders

Zwar sei davon auszugehen, dass der Beklagte von seiner damaligen Lebensgefährtin damit beauftragt worden sei, die Domain „grit-lehmann.de“ zu registrieren – der Beklagte habe dies bereits erstinstanzlich vorgetragen und die Klägerin habe den Vortrag des Beklagten jedenfalls nicht rechtzeitig bestritten.

Der Beklagte habe sich aber trotzdem nicht darauf berufen können, ihm stehe als Domain-Treuhänder das prioritätsältere Recht an der Domain zu:

„In Fällen, in denen ein Domainname aufgrund des Auftrags eines Namensträgers auf den Namen eines Treuhänders registriert worden ist, kommt dieser Registrierung im Verhältnis zu Gleichnamigen die Priorität zu, wenn für alle Gleichnamigen eine einfache und zuverlässige Möglichkeit besteht zu überprüfen, ob die Registrierung des Namens als Domainname im Auftrag eines Namensträgers erfolgt ist (BGHZ 171, 104 Rn. 18 – grundke.de; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – I ZR 231/01, GRUR 2006, 158 Rn. 16 = WRP 2006, 90 – segnitz.de).“

Die Überprüfung, ob der Treuhänder die Domain im Auftrag des Namensinhabers registrierte, könne anhand der abrufbaren Inhalte der Website erfolgen: Bestehe schon zu dem Zeitpunkt, in dem eine gleichnamiger Person wie hier die Klägerin erstmals Ansprüche auf den Domainnamen geltend mache, unter dem Domainnamen ein Internetauftritt des Namensträgers, könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Registrierung des Domainnamens im Auftrag des Namensträgers erfolgt sei.

Gleiches gelte, wenn der Namensträger bei im Übrigen gleichen Voraussetzungen zwar ursprünglich keinen Auftrag zur Registrierung der Domain erteilt habe, aber der Namensträger die Domainregistrierung nachträglich genehmigt habe, bevor eine gleichnamiger andere Person – hier wieder die Klägerin – zum Beispiel im Wege eines Dispute-Eintrags bei der DENIC den Domainnamen beanspruche.

_ Baustellenseite ist kein Nachweis für berechtigte Domain-Treuhand

Eine bloße Baustellenseite beinhalte keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine berechtigte Domain-Treuhänderschaft handele:

„Der Internetauftritt unter dem Domainnamen ‚grit-lehmann.de‘ enthält lediglich den Hinweis, dass dort eine neue Internetpräsenz entsteht. Ein solcher Hinweis stellt keinen Internetauftritt des Namensinhabers dar, der die Annahme rechtfertigt, die Registrierung des Domainnamens sei im Auftrag des Namensträgers erfolgt (vgl. BGHZ 171, 104 Rn. 19 – grundke.de; BGH, GRUR 2014, 506 Rn. 25 – sr.de).“

_ Weitere eigene Domains stehen Freigabeanspruch nicht entgegen

Der Beklagte könne sich auch nicht damit verteidigen, die Beklagte nutze ihre Namen bereits mit anderen für sie registrierten Domains. Dies sei für die Frage der Priorität bedeutungslos:

„Die Möglichkeit, anderslautende Domainnamen zu nutzen, ändert nichts daran, dass die Klägerin durch die Registrierung des beanstandeten Domainnamens von der gleichlautenden Nutzung ihres Namens ausgeschlossen ist. Dies muss sie nur hinnehmen, wenn die beanstandete Registrierung im Auftrag eines Gleichnamigen erfolgt ist und dies einfach und zuverlässig überprüft werden kann. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Chancengleichheit der Gleichnamigen bei der Nutzung ihres Namens als Domainname durch unberechtigte Interventionen Dritter beeinträchtigt würde (vgl. BGHZ 171, 104 Rn. 18 – grundke.de).“

Die Klägerin müsse sich nicht auf anderslautende Top-Level-Domains verweisen lassen. In Deutschland komme der .de-Domain besondere Bedeutung zu:

„Ein besonders schutzwürdiges Interesse des Namensträgers wird regelmäßig dadurch erheblich beeinträchtigt, dass der eigene Name durch einen Nichtberechtigten als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain ‚.de‘ registriert wird, weil die mit dieser Bezeichnung gebildete Internetadresse nur einmal vergeben werden kann und der berechtigte Namensinhaber so von der eigenen Nutzung des Namens als Domainname unter dieser Top-Level-Domain ausgeschlossen wird.“

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis im Domain-Recht?

Scheitert eine Domain-Treuhand wie hier, weil eine namensgleiche Person erfolgreich die Freigabe der Domain beanspruchen kann, haben am Ende zwei Personen gemeinsam das Nachsehen: der Domain-Treuhänder und die hinter diesem Treuhänder stehende Person, für die die Domain ursprünglich registriert wurde.

Der Teufel steckt, wenn man sich die Urteilsbegründung anschaut, im Detail – die bloße Domain-Registrierung im Auftrag eines Namensträgers und die berechtigte Domain-Treuhänderschaft sind zwei paar Stiefel. Noch einmal: der Bundesgerichtshof ging zwar wie vor ihm bereits die Berliner Instanzgerichte davon aus, dass der Beklagte von seiner damaligen Lebensgefährtin den Auftrag erhalten hatte, die Domain auf seinen eigenen Namen zu registrieren. Der BGH sah den Beklagten aber nicht als berechtigten Domain-Treuhänder an – und hieran knüpfte der BGH den Domain-Freigabeanspruch an.

Nun ist im Ergebnis also auch die im Hintergrund stehende ehemalige Lebensgefährtin des Beklagten, die ebenfalls Grit Lehmann heißt, ihre Domain los. Wer die auf den eigenen Namen lautende Domain nicht persönlich registrieren möchte, sondern einen Domain-Treuhänder vorschieben möchte, und sich gleichnamige „Mitbewerber“ um die Domain vom Halse halten möchte, muss also vorbeugen: Nicht nur der an den Domain-Treuhänder gerichtete Registrierungsauftrag als solcher muss feststehen. Auch der Zweck der Domain-Registrierung, das Treuhandverhältnis im eigentlichen Sinne, muss nachweisbar sein. Wer eine Domain durch einen Domain-Treuhänder registrieren lassen möchte, sollte dafür Sorge tragen, dass so schnell wie möglich einige erste persönliche Angaben auf der neuen Internet-Präsenz auftauchen – zum Beispiel ein Web-Impressum.

 

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