Urteil: Abmahnkosten-Disclaimer und eigener Kostenersatz

Abmahnkosten-Disclaimer und der Ersatz eigener Abmahnkosten – das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied mit Urteil vom 21.09.2017, Az. I-20 U 79/17: Wer einen Abmahnkosten-Disclaimer auf seiner Website platziert, mit dem die Kosten eines anwaltlichen Abmahnschreibens zurückgewiesen werden, verliert den Anspruch auf Ersatz der eigenen Abmahnkosten, wenn diese Abmahnung ohne den geforderten vorherigen Kontakt erfolgt.

Abmahnkosten-Ersatz und Abmahnkosten-Disclaimer ‒ was war geschehen?

Die Parteien stritten um den Ersatz der Abmahnkosten nach einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung. Die Website der Abmahnerin enthielt zum Zeitpunkt ihrer Abmahnung einen sogenannten „Abmahnungs-Disclaimer“ mit folgendem Wortlaut:

„Rechtliche Hinweise für Anwälte:
Zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreitigkeiten und überflüssigen Kosten bitten wir darum, uns im Vorfeld bei etwaigen Beanstandungen zu kontaktieren. Wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlungen oder andere rechtliche Beanstandungen werden von uns sofort behoben, sodaß die Einschaltung per Anwalt nicht erforderlich sein wird. Sollte es doch dazu kommen ist der Gegenpartei ein 100% rechtlich abgesicherter Auftritt anzuraten. Wie sagt unser Anwalt so schön: ‚Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Keine Partei ist frei von Fehlern!'“

Dessen ungeachtet ließ sie eine Mitbewerberin durch Anwaltsschreiben abmahnen. Unter Verweis auf den Abmahnkosten-Disclaimer verweigerte die abgemahnte Mitbewerberin den Kostenersatz.

Wie entscheid das Gericht?

Bereits in der ersten Instanz blieb die Abmahnerin erfolglos: Das Landgericht Düsseldorf entschied mit Urteil vom 18.05.2017, Az. 37 O 82/16, mit ihrem Erstattungsverlangen habe sich die Abmahnerin in Widerspruch gesetzt zu ihrem eigenen Verlangen, nicht mit Anwaltskosten für Abmahnungen belastet zu werden. Ihr eigenes Zahlungsverlangen verstoße daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf blieb ebenso erfolglos. Der Berufungssenat stützte sich dabei auf sein Urteil vom 26.01.2016, Az. I-20 U 52/15. Dort lautete der Abmahnungskosten-Disclaimer:

„Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt! Sollte der Inhalt oder die Aufmachung dieser Seiten fremde Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verletzten, so bitten wir um eine entsprechende Nachricht ohne Kostennote (…). Dennoch von Ihnen ohne vorherige Kontaktaufnahme aufgelöste Kosten werden wir vollumfänglich zurückweisen und gegebenenfalls Gegenklage wegen Verletzung vorgenannter Bestimmungen einreichen.“

Zu diesem Disclaimer führte der Berufungssenat in seinem damaligen Urteil vom 26.01.2016 aus.

„Unabhängig davon, dass eine derartige Klausel keine rechtlichen Wirkungen entfaltet, ist sie geeignet, jedenfalls rechtunkundige Mitbewerber zu verunsichern und zu veranlassen, vorsichtshalber selber abzumahnen. Wer ein solches Verhalten von Anderen erwartet, muss sich dann aber im Gegenzug auch ebenso verhalten und sich behandeln lassen, als habe er sich rechtlich verpflichtet, vor der Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes die Rechtsverletzung zunächst selber geltend zu machen, denn es ist kein Grund ersichtlich, diese Vergünstigung, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, den Mitbewerbern vorzuenthalten (ebenso OLG Hamm, NJW-RR 2012, 562, 563 f.)“

Diese Grundsätze seien auch hier gültig. Zwar seien die Formulierungen der beiden Abmahnkosten-Disclaimer nicht vollständig vergleichbar. Dies führe aber zu keinem anderen Ergebnis:

„Die Rigorosität, mit der die Kosten der Einschaltung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen werden, ist geringer. Die Androhung, nach Abmahnung mit Hilfe eines Rechtsanwalts nach eigenen Fehlern des Abmahnenden zu suchen, hat schon deshalb geringeren Abschreckungswert, weil ‚Gegenschläge‘ des Abgemahnten gegen den Abmahnenden nach Erfahrung des Senats vielfach mit Abmahnungen verbunden sind.

Entscheidend ist jedoch die Tatsache, dass die Beklagte die Einschaltung von Rechtsanwälten für Abmahnungen selbst in seinem Auftritt für ‚unnötig‘, ‚überflüssig‘ und ’nicht erforderlich‘ erklärt. Dann kann sie nicht ihrerseits geltend machen, derartige Kosten seien doch ‚erforderlich‘ im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Sie verhält sich damit grob widersprüchlich.“

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

Abmahnkosten-Disclaimer sollen vor allem für Abmahnungen aus dem Wettbewerbsrecht, dem Urheberrecht oder dem Markenrecht dienen. Dort finden sowohl die Abmahnung als solche als auch der Ersatz der Abmahnkosten unmittelbar im Gesetz ihre Grundlage, nämlich

Einen „vorherigen Kontakt“ der Parteien ohne Einschaltung einer Anwaltskanzlei sieht das Gesetz nicht vor – eine solche Kontaktaufnahme ist möglich, aber nicht erforderlich. Entsprechend sind sich die Gerichte einig, dass Abmahnkosten-Disclaimer rechtlich unwirksam sind; vgl. etwa auch Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 31.01.2012, Az. 4 U 169/11, und Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 28.03.2013, Az. 13 U 19/13.

Lediglich vertrat das OLG Celle in seinem genannten Beschluss vom 28.03.2013, Az. 13 U 19/13, die Rechtsauffassung, auch der Verwender eines Abmahnkosten-Disclaimers dürfe ohne vorherigen Kontakt abmahnen und die Abmahnkosten verlangen.

Ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, beinhaltet also der eigene Online-Auftritt einen Rechtsverstoß und liegt das gegnerische Abmahnschreiben auf dem Tisch, hilft ein Abmahnkosten-Disclaimer im Regelfall nicht weiter. Dennoch lohnt es sich, in diesem Fall einmal die gegnerische Website zu durchforsten.

Besser freilich ist es, es gar nicht zu einer berechtigten Abmahnung kommen zu lassen, und statt dessen den eigenen Online-Auftritt aktuell und rechtskonform zu halten. Dann nämlich ist die gegnerische Abmahnung unbegründet, weswegen der Gegner auch keinen Ersatz der Abmahnkosten verlangen kann.

 

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