Richter wegen Facebook-Profil befangen: BGH-Revisionsentscheidung

Richterliche Unparteilichkeit und Facebook-Mitgliedschaft – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Beschluss vom 12.01.2016, Az. 3 StR 482/15: Bilder und Postings im privaten Facebook-Profil eines Vorsitzenden einer Strafkammer können die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Facebook-Profil und Befangenheit – was war geschehen?

Während der mehrtägigen Hauptverhandlung vor einer Strafkammer bei dem Landgericht Rostock entdeckte der Verteidiger des Angeklagten eines Abends erstmals den Facebook-Account des Vorsitzenden Richters. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Foto des Richters zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich hatte der Richter vermerkt: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten kommentiert: „… sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ .Dieses Posting wiederum wurde wiederum von zwei Personen „geliked“ – eine dieser beiden Personen war der Richter selbst. Zu Beginn des nächsten Verhandlungstags lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Seinen Befangenheitsantrag begründete er unter anderem mit dem Inhalt der Facebook-Seite.

Der Richter gab zu dem Ablehnungsantrag, was sein Facebook-Profil betraf, folgende Stellungnahme ab: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Die Strafkammer wies den Ablehnungsantrag als unbegründet zurück mit der Begründung, der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.

Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten. Dieser legte gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof ein. Hierbei beanstandete der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Unter anderem rügte er, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden war, § 338 Nr. 3, § 24 StPO.

Wie entschied der BGH zur Besorgnis der Befangenheit?

Der Bundesgerichtshof gab der Revision statt, hob das Urteil des Landgerichts Rostock auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer bei dem Landgericht Stralsund zurück

„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (…).

 

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig die innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über den Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt. Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechtsgerichtes nicht zu vereinbaren.“

Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf die Praxis der Strafverteidigung?

Juristen gelten ja gemeinhin eher als Spaßbremsen – steif, hölzern, pedantisch, dem Humor und jeder Ironie eher abgeneigt; so der gängige Vorwurf. Das ist nicht richtig!

An anderer Stelle stand zu lesen, dem abgelehnten Richter werde allgemein eine seriöse und sachliche Vorgehensweise bescheinigt.

Aber: Die Besorgnis der Befangenheit, dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, stellt aber nicht auf den Ruf ab, den der jeweilige Richter oder die jeweilige Richterin im Kollegenkreis oder allgemein in Justizkreisen genießt. Die Besorgnis der Befangenheit ist auch nicht Ausfluss des Eindrucks des Verteidigers des Angeklagten. Vielmehr ist die Besorgnis der Befangenheit, wenn sie von der Verteidigung geltend gemacht wird, Ausfluss des ganz persönlichen Eindruckes, den der Richter oder die Richterin auf den Beschuldigten macht:

„Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu“,

so ausdrücklich § 24 Abs. 3 S. 1 StPO.

Wer sich vor dem Strafgericht angeklagt sieht, wird wohl meistens eher etwas dünnhäutig sein und jedenfalls vorübergehend wenig Neigung zu schwarzem Humor und skurrilen Sprüchen mitbringen.

Dies gilt es im Auge zu behalten. Der allzu kraftvoll betriebene Versuch, die Juristen von ihrem Ruf zu befreien, ganz und gar humorlose Gesellen zu sein, kann nach hinten losgehen.

Für den Verteidiger gilt: Ein Blick auf Facebook kann nicht schaden. Oder auch auf andere Portale.

 

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