Gutachten: Vorratsdatenspeicherung widerspricht EuGH-Vorgaben

Vorratsdatenspeicherung und der EuGH – der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt nach einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung zu dem Ergebnis, dass das (derzeitige) Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung nicht den vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgestellten Vorgaben entspricht.

Vorratsdatenspeicherung und der EuGH – worum geht es?

Das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung trat am 18.12.2015 in Kraft. Nach einer Übergangsfrist von 18 Monaten müssen Telekommunikationsunternehmen in Deutschland ab Juli 2017 für zehn Wochen Verbindungsinformationen (wer hat wann wer mit wem wie lange digital oder per Telefon kommuniziert?) speichern. Standortdaten von Mobiltelefonen müssen nach dem Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung für vier Wochen gespeichert werden.

Der EuGH hatte bereits mit Urteil vom 08.04.2014 in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12 die EU-Richtlinie 2006/24/EG zum anlasslosen Protokollieren von Nutzerspuren zu Fall gebracht. In einem weiteren Urteil vom 21.12.2016 in den verbundenen Rechtssachen C-203/15 und C‑698/15 entschied der EuGH erneut, dass eine allgemeine und unterschiedslose, nicht auf Bekämpfung schwerer Straftaten beschränkte, Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer mit den Grundrechten nicht zu vereinbaren ist.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages war von der Linksfraktion in Auftrag gegeben worden.

Vorratsdatenspeicherung – wie geht es weiter?

Bereits mit Urteil vom 02.03.2010, Az. 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08 und 1 BvR 586/08, erklärte das Bundesverfassungsgericht die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung durch das damalige Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21.12.2007 für nicht verfassungsgemäß. Auch gegen das aktuelle Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung sind bereits Verfassungsbeschwerden zum Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Denjenigen Wortführern der Inneren Sicherheit, denen zum Thema „Datenschutz“ regelmäßig nur „Datenschutz ist Täterschutz“ einfällt, sei gesagt: Die Vorratsdatenspeicherung dient (angeblich) der Ermittlung des Täters. Wenn der Täter bereits bekannt ist, muss nicht mehr ermittelt werden. Datenschutz dient also nicht dem Täter, sondern den vielen anderen Menschen, die nicht Täter sind und die zu Recht nicht möchten, dass sie behandelt werden, als könnten sie durchaus auch Täter sein. Datenschutzrecht dient nicht zuletzt der Unschuldsvermutung. Datenschutzrecht dient der Existenz des Rechtsstaats – und nicht seiner Beseitigung. Wer kraft parlamentarischer Immunität ohnehin vor strafrechtlichen Ermittlungen geschützt ist, kann leicht reden, wenn es um Maßnahmen gegen Unschuldige geht.

 

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