Debcon gibt Gas: „Verjährung für Lizenzschaden 10 Jahre“

Debcon lässt das Kanzleifax rattern und kündigt an, den Anspruch auf Ersatz des Lizenzschadens aus älteren Filesharing-Abmahnungen 10 Jahre lang geltend machen zu können. Hierbei beruft sich Debcon auf das Urteil „Motorradteile“ des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.01.2015, Aktenzeichen I ZR 148/13. Was tun? Hat Debcon recht? Sollen die Vergleichsangebote angenommen werden?

Neues Massenschreiben von Debcon – worum geht es?

Das Schreiben von Debcon beginnt mit folgendem Hinweis:

„Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe als oberstes Gericht der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren bestätigt:

Verjährung für Lizenzschaden 10 Jahre

In vergleichbaren Fällen“

Unter Bezugnahme auf

wird die Rechtsauffassung vertreten, auch in Filesharing-Angelegenheiten unterliege der Lizenz-Schadensersatzanspruch der 10-jährigen Verjährungsfrist nach § 852 BGB und nicht der regelmäßigen 3-jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB.

Dieses neueste Forderungsschreiben von Debcon ging bei der Kanzlei Stefan Loebisch zu einer ganzen Reihe von Mandaten ein. Auch aus anderen Kanzleien wird berichtet, dieses Schreiben erhalten zu haben.

Zahlen oder nicht zahlen? Wer hat Recht?

Zunächst: Beiden von Debcon herangezogenen BGH-Urteilen lag kein Filesharing-Rechtsverstoß zugrunde. In der Entscheidung „Motorraddteile“ ging es um Fotoklau. In der Entscheidung „Bochumer Weihnachtsmarkt“ ging es um GEMA-Gebühren für die Musikbeschallung auf dem Weihnachtsmarkt.

Nach einer nicht nur in der Kanzlei Stefan Loebisch vertretenen Rechtsauffassung spricht einiges dafür, dass diese beiden Urteile auf Filesharing-Fälle nicht ohne weiteres übertragbar sind. Es spricht also einiges dafür, dass auch bei Filesharing der Lizenz-Schadensersatzanspruch für die öffentliche Zugänglichmachung der Datei über den Filesharing-Client genauso wie der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten bereits nach 3 Jahren und nicht erst nach 10 Jahren verjährt.

Noch kein BGH-Urteil zur Verjährung bei Filesharing

Ein Urteil des BGH, dass sich ganz konkret mit dieser Rechtsfrage befasst, steht noch aus.

Das in dem Schreiben von Debcon weiter herangezogene Urteil des Landgerichts Berlin, Aktenzeichen 15 S 29/14, ist wohl bislang (Stand 10.07.2015) noch nicht im Volltext verfügbar. Lediglich gibt es zu diesem Urteil einen Beitrag im Blog der Kanzlei Rasch aus Hamburg, die das Urteil auf Seiten der Klägerin offenbar erstritt. Diesem Beitrag ist zu entnehmen, das Landgericht Berlin habe betont, der Umstand, dass bei der klagenden Rechteinhaberin kein tarifviertes Lizenzmodell für Filesharing existiere, stehe der Anwendung der Grundsätze der Lizenzanalogie im Rahmen des Bereicherungsanspruchs nicht entgegen.

Nachtrag vom 11.08.2015: Bei der Entscheidung des LG Berlin, Aktenzeichen 15 S 29/14, handelt es sich um einen Beschluss – also kein Urteil – vom 31.03.2015, durch den offenbar die Berufung des Abmahnungsempfängers gegen das vorangegangene, zu seinen Ungunsten ausgegangene erstinstanzliche Urteil des AG Charlottenburg vom 12.08.2014, Az. 224 C 218/14, zurückgewiesen wurde. Der Beschluss des LG Berlin vom 31.03.2015, Az. 15 S 29/14, ist seit dem 11.08.2015 im Volltext über JurPC abrufbar.

Eine ganze Reihe von Land- und Amtsgerichten sieht dies anders. So entschied zuletzt etwa auch das Amtsgericht Passau mit Urteil vom 03.07.2015, Aktenzeichen 18 C 1968/14, zugunsten der 3-jährigen Regelverjährung und gegen die 10-jährige Verjährung.

Systematische Betrachtung hilft weiter

Der Blick ins Gesetz, so heißt es, erspart das Geschwätz. Und genauso hilfreich ist es gerade beim Thema Filesharing, die übrige Rechtsprechung im Auge zu behalten.

In deren Licht stellen sich die pauschalen Behauptungen in dem Vergleichsangebot von Debcon nämlich ganz anders dar.

_ Wer muss Lizenz-Schadensersatz zahlen?

Zunächst einmal: Wer muss bei Filesharing überhaupt Lizenz-Schadensersatz bezahlen? Diese Verpflichtung betrifft alleine den Täter oder den Teilnehmer. Wen lediglich die Störerhaftung trifft, muss keinen Lizenz-Schadensersatz zahlen. Diese Störerhaftung betrifft diejenigen abgemahnten Anschlussinhaber, über deren Anschluss eine andere Person Filesharing betrieb, wenn der jeweilige Anschlussinhaber hierbei seinen Überwachungs- und Prüfungspflichten nicht ausreichend nachkam. Wie weit diese Überwachungs-und Prüfungspflichten reichen, hängt sehr stark vom Einzelfall ab, so etwa, ob Familienmitglieder oder aber andere Personen Filesharing betrieben und wie alt diese Personen waren.

_ Prüfungsreihenfolge für die Schadensersatzforderung bei Filesharing

Damit über die Täterhaftung oder auch nur die Störerhaftung überhaupt diskutiert werden kann, muss aber zunächst einmal bewiesen sein, dass der Rechtsverstoß tatsächlich über den Internet-Anschluss des Abmahnungsempfängers erfolgte. Es muss also feststehen, dass die IP-Adresse, über die der Filesharing-Client mit dem Internet verbunden war, im entscheidenden, in der Abmahnung angegebenen, Zeitraum tatsächlich den Internet-Anschluss des Abmahnungsempfängers zugeordnet war. Hierfür trägt die abmahnende Partei, die später einmal den Lizenz-Schadensersatz geltend machen möchte, die volle Beweislast.

Erst ganz zum Schluss wird also über die Frage diskutiert, ob der Lizenz-Schadensersatzanspruch nach 3 Jahren oder nach 10 Jahren verjährt. Die Prüfungsreihenfolge für den Lizenz-Schadensersatz lautet also

  1. Nachweis der Rechtsverletzung mit Nachweis der korrekten Zuordnung der IP-Adresse,
  2. Haftung des Anschlussinhabers als Täter,
  3. korrekte Ermittlung der Schadenshöhe,
  4. (keine) Verjährung des Schadensersatzanspruchs.

Ergebnis: Auch bei Filesharing gilt, dass der Gaul nicht von hinten aufgezäumt werden kann. Deshalb empfiehlt es sich, diesem neuesten Forderungsschreiben von Debcon mit der gebotenen Kaltblütigkeit entgegen zu treten und die behaupteten Ansprüche minutiös zu prüfen. Der Rechtsverstoß führt zur Zahlungsverpflichtung, nicht der Eingang irgend eines Abmahnschreibens. Laute Worte eines Inkassounternehmens ändern hieran nichts.