BGH-Urteil: Irreführendes Himbeer-Vanille-Abenteuer

Wo Vanilleblüten und Himbeeren drauf sind, muss auch Vanillearoma und Himbeeraroma drin sein – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 02.12.2015, Aktenzeichen I ZR 45/13 „Himbeer-Vanille-Abenteuer II“: Ein Teehandelsunternehmen betreibt irreführende Werbung, wenn es einen Früchtetee vertreibt, auf dessen Verpackung sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise „nur natürliche Zutaten“ und „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ befinden, dieser Tee aber tatsächlich keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere enthält.

Was war geschehen?

Die Beklagte ist die Teekanne GmbH & Co. KG, ein namhaftes deutsches Teehandelsunternehmen. Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

Das Verfahren hatte die Verpackung der Teesorte „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“ zum Gegenstand, eine quaderförmige Faltschachtel aus Karton, die 20 Beutel enthält. Auf dieser Verpackung waren unter anderem Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten, die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen – Himbeer-Vanille-Geschmack“ sowie ein grafisch gestaltetes Siegel abgebildet, das in einem goldenen Kreis die Angabe „nur natürliche Zutaten“ enthält.

Das Verzeichnis der Zutaten auf einer Seite der Verpackung lautet: „Hibiskus, Apfel, süße Brombeerblätter, Orangenschalen, Hagebutten, natürliches Aroma mit Vanillegeschmack, Zitronenschalen, natürliches Aroma mit Himbeergeschmack, Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren“. Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere enthielt der Früchtetee jedoch nicht.

Der Kläger sah in dieser Werbung eine Irreführung und machte schließlich nach erfolgloser wettbewerbsrechtlicher Abmahnung den Unterlassungsanspruch und die Abmahnkosten gerichtlich geltend.

Das Landgericht Düsseldorf gab der Klage gegen Teekanne mit Urteil vom 16.03.2012, Az. 38 O 74/11, statt. Gegen dieses Urteil legte Teekanne die Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf ein, das die Klage mit Urteil vom 19.02.2013, Az. 20 U 59/12, abwies. Der BGH als Revisionsinstanz setzte das Verfahren zunächst mit Beschluss vom 26.02.2014 aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln (Richtlinie 2000/13/EG) durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie ergibt. Der EuGH verneinte diese Frage mit Urteil vom 04.06.2015, Az. C 195/14.

Wie entschied der BGH über die Früchtetee-Werbung?

Der BGH hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19.02.2013 auf und stellte das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.03.2012 wieder her.

Das Publikum werde durch die hervorgehobenen Angaben „Himbeer-Vanille-Abenteuer“ und die Abbildungen von Vanilleblüten und Himbeeren zu der Annahme veranlasst, in dem Tee seien Bestandteile oder Aromen von Vanille und Himbeeren enthalten. Zwar würden Verbraucher, die sich in ihrer Kauf-entscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, das Verzeichnis der Zutaten lesen. Der Umstand, dass dieses Verzeichnis auf der Verpackung des Tees angebracht sei, könne jedoch für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung des Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Käufer irreführen. Die Etikettierung umfasse alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind. Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolge, insgesamt den Eindruck entstehen ließen, dass das Lebensmittel eine Zutat enthalte, die tatsächlich nicht vorhanden sei, sei eine Etikettierung geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.

Danach seien die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt darauf zu überprüfen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Zutaten oder Aromen irregeführt werden könne. Das sei vorliegend aufgrund der in den Vordergrund gestellten Angaben auf der Verpackung zu Vanille- und Himbeerbestandteilen im Tee der Fall.

Welche Auswirkung hat das BGH-Urteil auf die Praxis?

Das Urteil des BGH zur Früchtetee-Werbung zeigt zunächst: Geschmack und Inhalt sind nicht das selbe. Was nur wie Himbeere oder Vanille schmeckt, darf deshalb noch lange nicht als Himbeere oder Vanille beworben werden.

Das Urteil des BGH zeigt darüber hinaus damit erneut: Produktbeschreibungen in der Werbung müssen am Ende immer wahrheitsgetreu sein. Werbung, mit der Produkteigenschaften angepriesen werden, die die Ware tatsächlich nicht hat, oder sinnliche Erfahrungen, die das Produkt tatsächlich nicht hervorrufen kann, sind riskant – derartige Werbeaussagen können, wie sich auch hier gezeigt hat, schnell die wettbewerbsrechtliche Abmahnung mit dem Vorwurf, irreführende Werbung zu betreiben, nach sich ziehen.