BGH-Filesharing-Urteil: Anschlussinhaber muss Täter nicht ermitteln

Mehrpersonenhaushalt, Filesharing und Darlegungslast des abgemahnten Anschlussinhabers im Gerichtsverfahren – der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15: Zur Erfüllung seiner sekundären Darlegungslast muss der abgemahnte Anschlussinhaber lediglich mitteilen, dass Dritte Zugriff hatten, wer diese Dritten sind und dass sie als Täter in Betracht kommen. Um die erforderlichen Informationen zu erhalten, muss der Anschlussinhaber jedoch nur zumutbare Nachforschungen anzustellen. Der Abgemahnte muss nicht den tatsächlichen Täter identifizieren und diesen benennen. Da die tatsächliche Vermutung der Täterschaft und die sekundäre Darlegungslast keine Beweislastumkehr zur Folge haben, gehen unklare Aussagen von Zeugen zu Lasten der weiterhin beweisbelasteten Klägerin.

Sekundäre Darlegungslast und Nachforschungspflicht bei Filesharing – worum geht es?

Über das BGH-Revisionsverfahren zum Aktenzeichen I ZR 154/15 wurde bereits >hier< berichtet. Das Landgericht Braunschweig hatte zuvor in dessen Urteil vom 01.07.2015, Az. 9 S 433/14, die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Braunschweig aus dessen Urteil vom 27.08.2014, Az. 117 C 1049/14, bestätigt, wonach

  • der Anschlussinhaber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zwar zur Nachforschung verpflichtet ist, Mitbenutzungsmöglichkeiten des Internetanschlusses durch Dritte mitzuteilen,
  • die Mitbenutzung jedoch nicht zu beweisen hat.

BGH-Urteil vom 06.10.2016: Schriftliche Urteilsbegründung noch nicht veröffentlicht

Über das BGH-Urteil vom 06.10.2016 zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers berichten die Kollegen Wilde Beuger Solmecke aus Köln in ihrem Blog. Sie vertraten den beklagten Anschlussinhaber. Klägerin in dem Braunschweiger Verfahren war die Constantin Film Verleih GmbH. Sie wurde vertreten durch die Kanzlei Waldorf Frommer aus München.

Die schriftliche Urteilsbegründung des BGH lässt noch auf sich warten. Merkwürdigerweise wurde zudem Urteil vom BGH bislang nicht einmal eine Presseerklärung veröffentlicht.

Welche Auswirkung hat das BGH-Urteil auf die Praxis bei der Verteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen?

Eine endgültige Bewertung des Urteils vom 06.10.2016 wird erst möglich sein, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Schon jetzt lässt sich wohl sagen: Die vom BGH in dessen Urteil „Sommer unseres Lebens“ vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08, entwickelte Formel von der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers verliert ihren Charakter als Zauberformel zugunsten der Abmahnindustrie.

Das Urteil „Sommer unseres Lebens“ betraf einen Sachverhalt aus dem Jahr 2007. Seither hat sich IT-Landschaft grundlegend verändert: Das iPhone kam auf den Markt; es ist üblich geworden, dass in einem Familienhaushalt nicht nur ein oder zwei internetfähige Rechner stehen, sondern ab einem bestimmten Alter jedes Familienmitglied ein eigenes, meist sogar mehrere, internetfähige Geräte besitzt. Entsprechend hat sich das Nutzungsverhalten verändert – die statistische Wahrscheinlichkeit, dass der Anschlussinhaber selbst der Täter gewesen war, ist gesunken. Die Entscheidung des BGH vom 06.10.2016, dass der Anschlussinhaber nicht in detektivischen Kleinarbeit den wahren Täter ermitteln muss, wenn er sich gegen die Filesharing-Abmahnung verteidigen möchte, greift diese veränderten sozialen Umstände auf. Glückwunsch nach Köln.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt

 

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