Auslandsgeschäft: Zur Mehrwertsteuerbefreiung bei innergemeinschaftlicher Lieferung trotz Steuerhinterziehung durch den Käufer

Zur Mehrwertsteuerbefreiung bei innergemeinschaftlicher Lieferung entschied der EuGH mit Urteil vom 06.09.2012, Az. 273/11: Verkauft ein Händler waren in einen anderen Mitgliedsstaat der EU und erfüllt er seine Nachweispflichten, die ihm das nationale Recht auferlegt, darf ihm die Mehrwertsteuerbefreiung auch dann nicht verweigert werden, wenn der Käufer seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt, die Ware also doch nicht außer Landes bringt und dort die Mehrwertsteuer entrichtet. 

Was war geschehen?

Das ungarische Unternehmen Mecsek-Gabona verkaufte im August 2009 rund 1.000 Tonnen Raps an die italienische Handelsgesellschaft Agro-Trade srl. Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Käuferin den Raps nach Italien ausführen sollte. Mecsek-Gabona erhielt mehrere CRM-Frachtbriefe, die diesen Versand bestätigten. Das Unternehmen ging daher davon aus, dass eine Mehrwertsteuerbefreiung vorlag. Mecsek-Gabona stellte deswegen der Käuferin die Mehrwertsteuer nicht in Rechnung und führte die Mehrwertsteuer auch selbst nicht an das Finanzamt ab.

Die italienische Steuerfahnung stellte dann allerdings fest, dass die Käuferin Agro-Trade srl nicht ausfindig gemacht werden konnte und sich unter der Adresse des registrierten Gesellschaftssitzes ein Privathaus befand, weiter, dass die Käuferin die Mehrwertsteuer für die Lieferung in Italien niemals abgeführt hatte. Die Steuerverwaltung in Ungarn ging nun davon aus, dass die Ware niemals nach Italien verschickt worden war. Sie verlangte von Mecsek-Gabona nachträglich die Mehrwertsteuer und verhängte zusätzlich einen Verspätungszuschlag und eine Geldbuße. Hiergegen ging Mecsek-Gabona juristisch vor.

Wie entschied der EuGH?

Der EuGH entschied zugunsten von Mecsek-Gabona. Das Unternehmen könne für das rechtswidrige Verhalten der Käuferin nicht verantwortlich gemacht werden. Die Mehrwertsteuerbefreiung sei an drei Voraussetzungen gebunden, nämlich

  • dass das Eigentum an den Käufer übertragen wurde,
  • dass der Verkäufer entsprechend den Vorgaben des nationalen Rechts des Staates, in dem sich sein Unternehmen befindet, nachweist, dass die verkaufte Ware in einen anderen Mitgliedsstaat versandt wurde
  • und dass die Ware das Land des Verkäufers physisch verlassen hat.

Habe der Verkäufer alle Nachweise erbracht, könne er nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass der Käufer seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkomme, die Ware nicht außer Landes bringe und die Mehrwertsteuer nicht entrichte. Der Verkäufer könne nur verantwortlich gemacht werden, wenn er gewusst habe, dass es sich um eine geplante Steuerhinterziehung handele und dies nicht mit dem ihm zumutbaren Mitteln verhindert habe.

Welche Auswirkung hat das Urteil auf die Praxis?

Das Urteil ist auch für Webshop-Betreiber interessant, die ihre Ware in das EU-Ausland verkaufen: In der Praxis dürfte einem Händler schwer nachzuweisen sein, dass er von der Absicht seines Geschäftspartners, eine Steuerhinterziehung zu begehen, wusste. Nach dem Urteil des EuGH gilt: Im Zweifel für den Verkäufer, wenn dieser seine eigenen Nachweispflichten erfüllt hat. Diesen eigenen Nachweispflichten sollte damit das besondere Augenmerk des Verkäufers gelten.