AG Köln: Streitwert auch bei Filesharing-Altfällen nur 1000 €

Streitwert, Lizenz-Schadensersatz und Abmahnkosten bei Filesharing vor dem 09.10.2013 – das Amtsgericht (AG) Köln entschied mit Urteil vom 10.03.2014, Az. 125 C 495/13: Die Abmahnkosten für ein Musikalbum betragen 130,50 €. Der Lizenzschaden beträgt 10,00 € pro Titel.

Was war geschehen?

Über den Internet-Anschluss des Beklagten soll im Juli 2010 ein damals aktuelles Musikalbum mit 13 Songs öffentlich zugänglich gemacht worden sein. Die Klägerin forderte deswegen von dem Beklagen die Erstattung von Abmahngebühren i. H. v. 1.379,80 €, ausgehend von einem Streitwert von 50.000,00 €. Weiter forderte die Klägerin von dem Beklagten Lizenz-Schadensersatz in Höhe von 2.500,00 €.

Wie entschied das AG Köln zu Streitwert, Abmahnkosten und Lizenzschaden?

Das AG Köln sprach der Klägerin einen Schadensersatz von 10,00 € pro Titel zu, zusammen also 130,00 €. Ausgehend von einem Streitwert von 1.000,00 € sprach das AG Köln der Klägerin daneben Netto-Abmahnkosten von 130,50 € zu. Im übrigen wies das AG Köln die Klage ab.

Filesharing-Netzwerke seien auf eine möglichst schnelle Weiterverbreitung der „getauschten“ Dateien ausgelegt. Zu diesem Zweck würden die nachgefragten Inhalte in kleinere Dateien fragmentiert, um einer lokalen Überlastung des Internet vorzubeugen. Diese Fragmente würden bei dem nachfragenden Teilnehmer des Netzwerks durch eine entsprechend anspruchsvolle Software zusammengesetzt, so dass der Nachfrager auf vollständige Musiktitel, Filme etc., zugreifen könne. Filesharing stelle sich deshalb als anonymer Austausch von Dateien dar. Die einzelne Teilnahme habe keine nennenswerten Folgen. Würde die einzelne Teilnahme nicht stattfinden, so würden spätere Nachfragen nach dem betroffenen Werk durch Benutzung und Zusammensetzung von Dateifragmenten anderer Teilnehmer des Netzwerks befriedigt. Dies gelte ganz sicher bei dem hier streitbefangenen seinerzeit aktuellen Musikalbum einer der populärsten Künstlerinnen der Welt.

Wörtlich aus den Urteilsgründen zum angemessenen Streitwert bei Filesharing-Abmahnungen:

„Es entsteht der Eindruck, dass die herrschende Rechtspraxis die beiden, die anwaltlichen Abmahngebühren bewusst begrenzenden gesetzlichen Regelungen aus den Jahren 2008 und 2013 offensichtlich soweit irgend möglich, ignoriert. In den Augen der interessierten Öffentlichkeit hat sich ein ‚Abmahnunwesen‘ bzw. eine ‚Abmahnindustrie‘ etabliert. Dem ist nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch die Zubilligung überhöhter Streitwerte Vorschub zu leisten. Insoweit darf auf die oben zitierten Worte der Bundesregierung und die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2013 verwiesen werden, nach der die herrschende Abmahnpraxis in der Öffentlichkeit als ‚Abzocke‘ wahrgenommen und das Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird.
Der herrschenden Meinung ist schließlich entgegenzuhalten, dass sie völlig im Unklaren lässt, wie die angesetzten Streitwerte bemessen werden: Das Interesse an dem Unterlassen eines Filesharings eines populären Werks insgesamt ist sicherlich regelmäßig mit Streitwerten von Millionen von Euro anzusetzen, das Interesse daran, dass eine Person weniger, nämlich der jeweilige Beklagte an diesem teilnimmt, ist mit 1.000,00 € sicherlich nicht zu niedrig angesetzt. Damit stellen sich die gängigen Wertfestsetzungen als faule Kompromisse dar.“

Welche Auswirkung hat dasUrteil des AG Köln auf die Praxis für die Filesharing-Rechtsverteidigung?

Die Erwägungen des AG Köln sind auf den ersten Blick geradezu radikal. Bis auf weiteres stellen sie sicherlich eine Mindermeinung dar. Indes treffen die Erwägungen in ihrem Kern den Nagel auf den Kopf: dass nämlich nicht der einzelne Filesharing-Tauschbörsen-Teilnehmer die Welt der Plattenlabels, Spielehersteller und Filmvertriebe zum Einsturz bringt, sondern Filesharing deren wirtschaftliche Interessen deswegen beeinträchtigt, weil es massenhaft betrieben wird. Nur zu gerne schüttelt die Musik-, Film- und Spieleindustrie in Abmahnungen und Schadensersatzprozessen Beträge aus dem Ärmel, ohne diese recht begründen zu wollen – Opferrhetorik tritt an die Stelle substantiierten Sachvortrages. Urteile wie dieses tragen dazu bei, Filesharing-Auseinandersetzungen auf den Boden der Realität zurückzuführen.